Rad unter den Rädern

Rad unter den Rädern

Meine ungewollten Erfahrungen mit einem marokkanischen Busfahrer, Polizisten und sonstigen Beamten.

Nachdem ich in Dakhla, Marokko den letzten Blogbeitrag geschrieben hatte, wollte ich ja eigentlich am nächsten Tag, Ostersonntag, weiter fahren.

Wie so oft kam es anders als geplant. Bei der Polizeikontrolle am Ausgang von Dakhla, wurde ich wie üblich gestoppt, um meine Daten mal wieder aufzunehmen. Als ich fertig war, schob ich mein Fahrrad über die Straße. Auf der anderen Straßenseite parkte ein grosser Touristenreisebus. In dem Moment fährt er los, wie üblich ohne zu schauen. So schnell konnte ich gar nicht reagieren. Mein Vorderrad war sofort unter dem Bus.

20160327_104204klein

Dass mein Vorderrad nicht mehr durch die Gabel passte, merkte ich sofort. Auch, dass die Halterungen der Radtasche nicht mehr ihren Zweck erfüllten.

20160327_104154klein

Ich war so stinkwütend auf den blöden Busfahrer. Die Polizisten haben natürlich alles gesehen. Der Chefpolizist fragte mich, ob ich eine Entschädigung wolle. Natürlich wollte ich eine Entschädigung und den Unfall melden. Danach fragte er mich wieder, ob ich wirklich eine Entschädigung wolle? Natürlich!!!

Auch wenn der Schaden nicht wirklich ersetzt werden kann, wollte ich doch ein Exempel statuieren, auch wenn er deswegen was arbeiten muss. Zu viele Radfahrer kommen durch so blödsinniges Verhalten ums Leben. Ich muss immer höllisch aufpassen, wenn ich ein Fahrzeug überhole. Mal geht die Tür auf oder sie fahren einfach los.

Der Campingplatz war gerade mal 1,5 km entfernt und ich wußte, dass Calle, mit dem ich die letzte Woche zusammen gefahren bin, noch dort war. Er ist unter anderem auch Fahrradmechaniker und wollte heute mit dem Bus zurück fahren. Darum hatte ich es eilig zum Campingplatz zu kommen, damit ich ihn noch erwischte. Die Polizisten wollten mich nicht gehen lassen, da ich auf die Leute vom „Service des accidents de la circulations“ warten sollte. Ich konnte denen nicht klar machen, dass ich ja in 5 Minuten wieder zurück sein würde.

Schließlich ließ ich alles hinter mir und lief einfach los. Woraufhin die Polizisten ein Auto stoppten und sagten, sie sollten mich mitnehmen. Calle hat dann sofort alles stehen und liegen lassen und ist mit mir mit.

Seine Diagnose war nicht so erfreulich. Das Vorderrad hatte nicht nur einen Achter sondern einen richtigen Knick, irreparabel!

Der Busfahrer war inzwischen weiter gefahren. Der Typ vom Service von Verkehrsunfällen kam gerade vorbei und meinte, ich solle es in Dakhla reparieren oder ersetzen lassen und ihm die Rechnung vorbei bringen.

Auf dem Rückweg schlug ich Calle vor, dass ich uns jetzt zuerst nochmals einen Kaffee mache. Damit wurde es aber nichts, als ich meine lädierte Vorderradtasche auspackte, fand ich alles gefaltet, verbogen und zerbrochen. Es war gar grausig. Ich wusste nicht, dass Trangia Topf mit Kessel faltbar sind (nur nicht mehr „entfaltbar), die Benzinflasche von meinem Kocher war platt, der Kocher selbst auch. Kaum eine Wäscheklammer war mehr heil.

20160327_104050klein

Kein Kocher – das geht gar nicht! Ohne die Möglichkeit meinen Morgenkaffee zu kochen, fahre ich nicht los. Tags zuvor hat der Mann vom Camping auf einem kleinen Campinggaskocher Tee gekocht. Sofort fragte ich ihn, ob es den hier zu kaufen gibt. Ja, meinte er, aber er hat noch einen Alten, den könnte ich gerne haben, ich müsse nur Kartuschen kaufen, die bekomme ich aber überall. Uff, das erste Problem war gelöst.


Nächster Schritt. Sofort merkte ich, wie unflexibel ich ohne Fahrrad bin. Wie komme ich jetzt die sechs Kilometer in die Stadt? Da Calle auf mich warten wollte, bis ich ein neues Vorderrad hatte, entschied ich mich für die schnellste Lösung, ein Taxi. Das hatte dann den Vorteil, dass es mich  direkt vor eine Fahrradreparaturwerkstatt fuhr. Sofort bekam ich eine neue Felge und Speichen, leider nicht in der Länge, dass meine alte Nabe gepasst hätte, darum auch eine neue Nabe. Kostenpunkt 15 Euro! Insgesamt, mit Einspeichen.

Zwei Häuser weiter konnte ich Löcher in meine Fahrradtasche bohren lassen, damit ich die abgebrochene Halterung wieder neu anschrauben konnte. Mit der Wasserdichtigkeit ist es eh dahin, darauf brauche ich jetzt nicht mehr zu achten.

Um die Mittagszeit war ich wieder zurück, Calle war noch da und wir konnten sofort das Vorderrad einbauen. Die Felge hatte zum Glück die gleiche Breite wie die alte, an den Bremsen musste ich nichts machen.

Calle verabschiedete sich und ging zum Bus, ich konnte jetzt mit dem Fahrrad in die Stadt fahren, um einen Wasserkessel, eine Tasse und Kartuschen zu besorgen.

Das erste Mal war ich um 15 Uhr bei der „Service des accidents de la circulations“. Der Chef war aber nicht da. Ich solle in einer Stunde wieder kommen. Eigentlich wollte ich den Nachmittag nutzen, um noch einiges im Internet zu erledigen. Leider wurde das immer mit „ich solle in einer Stunde wieder kommen“ unterbrochen.

20160327_192335klein

Schließlich waren um 19:30 Uhr der Chef und der Busfahrer da. Ich hatte nur Belege von ca. 200 Dirham, ca. 20 Euro. Zuerst war ich leider zu gnädig, dachte, ich kann ja von dem Busfahrer nicht den ganzen Betrag verlangen, was es mich in Deutschland gekostet hat. Ich schätze mal, dass es mich 300 Euro kostet, bis ich alles ersetzt habe.

Der Busfahrer wollte mir zuerst nur 50 Dirham geben. Ich brachte ihn dann dazu, dass er mir wenigstens 150 für das Vorderrad gab. Der Chef von „Service des accidents de la circulations“ saß nur daneben und sagte nichts. Ich machte ihm immer wieder klar, dass das ja nur eine temporäre Lösung ist und ich mit dieser miesen Qualität sicher nicht bis Südafrika komme.

Der Busfahrer ließ mich einfach stehen und ging, der Chef machte auch nichts mehr. Ich war stinksauer. Immerhin hatte ich dadurch einiges gelernt.

Nächste Mal (was es hoffentlich NIE!! geben wird) werde ich eine genaue Aufstellung machen, was alles kaputt gegangen ist und was es neu in der gleichen Qualität kostet. Ob ich dann den Betrag erstattet bekomme, ist fraglich. Aber es wird deutlich, was für ein Schaden verursacht wurde.

In der Dunkelheit konnte ich dann meinen ganzen Ärger auf den sechs Kilometern zurück zum Camping abstrampeln.

Natürlich ist die Hauptsache, dass mir nichts passiert ist. Alles andere kann man ersetzen, nur ich bin unersetzbar 😉

6 Gedanken zu „Rad unter den Rädern“

  1. Hey Dorothee.
    Bei all dem berechtigten und verständlichen Ärger über den Busfahrer und die polizeiadministration, versuche das Positive zu sehen, in deinem Fall körperlich unversehrt aus diesem Unfall hervorzugehen.
    Seit gestern kann ich die Gefahren für Radfahrer auf Marokkos und Afrikas Straßen realistisch einschätzen. Auf meiner Fahrt mit einem Bus von supratours durch die Western Sahara von Dakhla bis Agadir konnte ich erleben, wie kompromisslos die Busfahrer „draufhalten“, wie teilweise eng es beim überholen zugegangen ist. Erfreulich zu lesen, dass man in schwierigen Situationen auf Gleichgesinnte, auf Reiseradler trifft, die hilfsbereit sind. Ich wünsche dir, dass das Kontingent an negativen Ereignissen dieses Ausmaßes nun erschöpft ist.
    Herzliche Grüße aus Agadir

    Antworten
    • Vielen Dank, Rüdiger,
      Der Bus, der mein Vorderrad geknickt hat, war auch von supratours. Du musst aber einen anderen Fahrer gehabt haben, meiner fährt nur die Strecke Dakhla – Gueruerat.
      Noch einen Grund mehr, nie den Bus zu benutzen 😉 Danach traut man sich vielleicht noch weniger als vorher mit dem Fahrrad in den Verkehr.
      Gestern habe ich Dakar ohne irgendwelche Zwischenfälle überstanden.
      Du warst aber schnell durch Mauretanien.

      Liebe Grüße,
      Dorothee

      Antworten
  2. Gut, dass Dir nichts passiert ist. Aber das mit der Ausrüstung ist schon blöd… Sprichst Du eigentlich Französisch oder wie klappt das generell mit der Verständigung. Auf dem Amt stell ich mir das schwierig vor… Gute Weiterreise!

    Antworten
    • Hallo Monika,

      inzwischen habe ich mich an meine „neue“ Ausrüstung gewöhnt und mein Vorderrad hält länger als erwartet.
      Ja, ich spreche eigentlich genug Französisch, nur dieses „Pidgin“ Französisch ist manchmal kaum zu verstehen,manchmal habe ich das Gefühl, sie haben überhaupt keine Lust Französisch zu sprechen. Wenn ich dann nachfrage, was für eine Sprache sie eigentlich sprechen, strengen sie sich mehr an 🙂

      Antworten

Schreibe einen Kommentar