ANGOLA: DAS GROßE UNBEKANNTE
Ab der Unabhängigkeit 1975 bis 2002 war Angola im Bürgerkrieg. Immer noch gilt Angola als kritisch, von einem Besuch wird abgeraten. Das Land macht auch keine Anstalten, etwas ändern zu wollen. Ein Visum ist nur schwer zu bekommen.
Wie sieht es aus in dem großen unbekannten Land, das noch von der Welt verschlossen ist? Und wie ist es mir ergangen?
Zwischen Kongo Kinshasa und Angola sind einige Kilometer Niemandsland. Bis zum Grenzfluss wurde ich noch von einigen Kindern begleitet. Sie kamen nicht mit mir über die Brücke.
Nach weiteren Kilometern kamen die ersten Wachposten. Sie ließen gleich alles stehen und liegen und halfen mir das Fahrrad den Berg zur Immigration hoch zu schieben. Das war ein sehr netter Empfang.
Es war Sonntag, Mittagszeit. Kein Wunder, dass der Zuständige nicht da war. Ich wartete.
Die wenigen Gebäude sind eine alte portugiesische Hinterlassenschaft. Leider durfte ich nicht fotografieren.
Nach einer Stunde kam der Zuständige, schrieb alle meine Daten auf, samt den Ländern, wo ich bis dato gewesen war und wo ich noch hin möchte, und schickte mich ohne meinen Einreisestempel weiter. In Maquela sollte ich mir den Stempel holen. Mist, das waren noch circa 30 Kilometer. Es war Sonntag und ich wusste nicht, ob sie auf haben und wenn ja, wie lange.
Die Strecke nach Maquela war ungeteert
Teilweise war die Hälfte der Straße einfach weggebrochen.
Nach 18 Kilometern wurde es zwar etwas besser, aber es begann das Afrika – übliche Auf und Ab.
Kurz vor 18 Uhr erreichte ich bei Anbruch der Dunkelheit Maquela. So, die Suche nach dem Immigrationsbüro konnte beginnen. Und das auf Portugiesisch, der Amtssprache in Angola. Ich wurde kreuz und quer durch den Ort geschickt. Gerade als die Beamten das Gebäude verließen, traf ich außer Atem, schweißüberströmt, ein.
Sie hatten natürlich keine Lust mehr, alles aufzuschließen und mir den Stempel zu geben. Wenigstens zeigte ich mich noch am Abend, nicht dass ich „illegal“ meine erste Nacht in Angola verbrachte.
Einer der Herren brachte mich zu einer Pension. Das war mir sehr recht. Es war dunkel und eine Dusche war mal wieder angebracht.
Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Immigration konnte ich mir gleich eine angolanische SIM-Karte besorgen. Das ging erstaunlich flott, ohne Registrierung wie in den anderen Ländern. Der nette Herr tauschte mir noch US-Dollars in angolanische Kwanza zu einem sehr guten Kurs. Man hatte mir gesagt, ich solle auf jeden Fall genug Dollars mitnehmen, denn auf der Straße bekäme ich einen wesentlich besseren Kurs, als auf der Bank. So etwas finde ich immer sehr bedenklich. Es ist meist ein Zeichen, dass etwas in dem Land nicht so ganz in Ordnung ist.
Während ich auf meinen Stempel wartete, konnte ich endlich mal wieder meine E – Mails durchgehen. Der Beamte war mit meinem Stempel schneller als ich, ich durfte aber noch etwas länger bleiben.
Ab Maquela war die Straßen geteert. Auch hier waren Chinesen schon schwer Zugange.
Weiter ging es mit mehr Auf als Ab. Irgendwie ging ich davon aus, dass ich in Angola wieder in tiefere Gefilde komme, aber das Gegenteil war der Fall.
Ich wurde dafür mit einer wunderbaren Aussicht belohnt.
Immer mehr erstaunt war ich, wie entwickelt Angola im Vergleich zum Kongo (Kinshasa) war.
Es gab richtig nette Siedlungen. Zwar sehr langweilig, alle Häuser gleich, aber manche hatten sogar Solarzellen. Strom und Wasser gibt es normalerweise auch hier in den Dörfern nicht.
Als ich das Foto machte, stand sofort ein Soldat da. Bevor er mir sagen konnte, dass ich das nicht durfte, fing ich an, ihn auszufragen. Es sind Wohnungen für Funktionäre. Meist Soldaten. Die Armee ist hier oben sehr stark vertreten, die Polizisten auch.
Meist schlief ich wieder beim „Chef du Village“ (ich habe vergessen, wie das auf portugiesisch hieß). Aber wenn ich einfach meine Ruhe haben wollte, konnte ich hier auch ohne Probleme wieder wild zelten.
Weiter ging es mit dem Auf und Ab, das mich wahrscheinlich noch durch ganz Afrika begleitet.
An kleinen Dörfern vorbei.
Die Straße wurde immer schlechter, mir auch.
Die Qualität des „Trinkwassers“ ist nicht die Beste. Da sie ja nichts anderes haben, wird so ziemlich alles getrunken, was flüssig ist. Ich hätte meinen Wasserfilter benutzen sollen. Abkochen hilft auch nicht immer.
Zudem habe ich meine Geschwindigkeit total überschätzt. Es ging nur noch bergauf. Dazu kam noch, dass es in den meisten Orten nichts zu kaufen gab.
Am Fuße des Berges gab es noch ein Restaurant, aber nicht einmal sie hatten noch etwas zu essen.
Es waren kleine Bantu – Dörfer, Selbstversorger. Sie haben kein Geld, wer soll da was in den Läden kaufen?
Sogar die Fahrzeuge bauen sie selbst. Wirklich kreativ und einfallsreich.
Auf die grünen Kochbananen konnte ich gut verzichten.
Die Papayas waren leider noch nicht so weit.
Die Landschaft war es wieder bezaubernd,
aber direkt satt wurde ich davon auch nicht.
Auch hier wird viel abgebrannt, um danach Manyok anzupflanzen. Dieses Feuer war sehr dicht an der Straße. Der Wind blies die ganze Hitze auf mich zu.
Ich war fix und fertig, als ich endlich wieder ein paar Leute sah. Ich fragte, ob ich irgendwo was zu essen haben könnte. Ein Mann hat mich verstanden und meinte, im nächsten Ort, nicht mehr weit, auf dem Berg, gäbe es etwas.
Er half mir sogar, mein Fahrrad den Berg hochzuschieben.
Angola war bisher das einzige Land, wo ich keine Landkarte hatte. Ich habe mir die Wege aus Google Maps und auf meinem GPS heraus gesucht. Weder das eine noch das andere hatte Angaben über die Höhe.
Was die Beschaffenheit der Straßen anbelangt, kann keine Karte korrekt sein. Sobald sie gedruckt wird, haben Chinesen die einen Straßen geteert und andere geteerte Straßen wiederum kaum mehr Belag. Das geht in Afrika sehr schnell.
Tatsächlich gab es auf dem Hügel ein Restaurant. Der Besitzer war französisch-sprechend. Sehr nett. Ich bekam Reis mit Tomaten. Meinen Retter habe ich auf ein Bier eingeladen. Es war wahrscheinlich das nobelste „Restaurant“ weit und breit.
Gleich daneben war ein Polizeiposten, wo ich zelten konnte. Ich hätte nie geahnt, dass ich in Afrika so frieren würde. Auf dieser Höhe wurde es nachts furchtbar kalt. Ich war über meinen dicken Schlafsack wieder sehr froh.
Am nächsten Tag ging es mir immer noch nicht gut. Ich war noch fix und fertig. Eigentlich hätte ich schon lange eine Pause gebraucht. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie es in Angola weiter geht.
Im Oktober wollte ich für vier Wochen nach Deutschland zurück. Das erste Land, in das ich ohne Probleme wieder einreisen konnte und auch die Flüge bezahlbar waren, war Sambia. Also hatte ich einen Rückflug von Lusaka aus gebucht. Zeitlich hätte es gut gereicht, wenn nichts dazwischen gekommen wäre.
Langsam war ich unter Zeitdruck. Ich hoffte nur, dass die Straßen befahrbar blieben.
Als mir die Polizisten anboten, sie könnten ja einen Lastwagenfahrer fragen, ob er mich mitnehmen kann, lehnte ich nicht ab.
So landete ich in dem riesigen Sattelschlepper von Samuel.
Auf die Plane unter der sich unendlich viel Zement befand, wurde mein Fahrrad gebunden.
Da er sehr weit in meine Richtung gefahren ist, konnte ich ein gutes Stück mit ihm mitfahren.
Ja, ich habe beschummelt. Aber lieber beschummeln als den Flug verpassen.
Eigentlich dachte ich, ich hätte am Tag zuvor den Gipfel erklommen. Weit gefehlt. Es ging noch sehr weit den Berg hoch. Und die Straßen wurden immer schlechter.
Zwei weitere Gründe, weswegen ich froh war, in der Fahrerhaus zu sitzen.
Samuel hat von 1992 bis 1998 in Deutschland, in Rostock bei Dieselwerke gearbeitet. Danach musste er Deutschland wieder verlassen. Das Gute an solchen Mitfahrgelegenheiten ist, man erfährt doch wieder ganz andere Dinge über das Land als sonst. Es ist doch nicht alles so schön und fortschrittlich, wie es von Außen aussieht.
Andererseits habe ich es natürlich auch bereut, durch diese wundervolle Landschaft mit dem Fahrrad fahren zu können.
Bis nach Kuito konnte ich mitfahren. Ich habe keine Ahnung wie viele Kilometer es waren, aber es hat mehr als 14 Stunden gedauert. Bei den schlechten Straßen, im Schneckentempo um die Schlaglöcher, und Pausen, waren es vielleicht 400 Kilometer.
Dem Bahnhof und den Zügen hätte ich mehr Beachtung schenken sollen.
In Kuito, einer „Kreisstadt“ hatte ich mich wieder mit dem Notwendigsten eingedeckt und bin los.
War das herrlich, nach der langen Autofahrt wieder auf dem Fahrrad zu sitzen. Voller Zuversicht, dass es mir jetzt locker bis zum 9. Oktober nach Lusaka reichen wird, startete ich in Kuito auf bester, neuer Straße.
Aber wie es so ist, es sollte alles anders kommen.
Nach circa 40 Kilometern war Schluss.
Noch hoffte ich, dass es nur eine der langen chinesischen Baustellen war, und ich bald wieder auf Teer fahren kann.
In einem kleinen Dorf konnte ich in einer Schule übernachten. Die jungen Lehrer waren sehr engagiert und motiviert. Einer der Lehrer half seiner Freundin beim Kochen und wusch das Gemüse. So etwas hatte ich in ganz Afrika noch nicht gesehen. Ein Mann macht keine Frauenarbeit! Auch wenn er absolut nichts zu tun hat und die Frau und Mädchen sich abschuften.
Es scheint, hier wächst eine andere Generation heran.
Leider meinten sie, die Baustelle geht auf jeden Fall noch neun Kilometer, bis nach Catabola so weiter. Soviel sie wussten, kommt aber kein Teer mehr.
In einem kleinen, alten portugiesischen Städtchen, Camacupa, sah ich: Hier gab es einmal Teer.
Das gehört schon lange der Vergangenheit an. Die Gebäude machen es sicher auch nicht mehr lange.
Ansonsten ging es an Dörfern mit Strohhütten vorbei
Natürlich auch hier einige Kinder. Aber keines der Kinder sprang mir hinterher und hielt mein Fahrrad fest oder wollte etwas von meinem Gepäckträger reißen.
An der Grenze zum Kongo gab es einige Hinweisschilder wegen Tretminen. Mir wurde gesagt, die gibt es nur noch hier im Norden. Umso erstaunter war ich, als ich hier ein ganzes Dorf evakuiert sah.
Vielleicht besser nicht wild zelten. Lieber wieder zum „Chef du Village“.
Das war wirklich ein Ereignis. So schwer sie es auch haben, ohne Strom und Wasser, am Abend wird ein Feuer gemacht, gekocht, geredet und gelacht.
Hier ging es durch das ganze Dorf, von Hütte zu Hütte, ich lag mittendrin in meinem Zelt, lauschte und verstand natürlich nichts.
Die Straße wurde immer schlechter,
schon manches Fahrzeug ist hier auf der Strecke geblieben.
Zeugen des Krieges.
Wieviel die Kleinen davon noch mitbekommen?
Eines der größten Probleme für mich war, dass mir keiner sagen konnte, wie gut oder schlecht die Straße im weiteren Verlauf war. Die Leute hier reisten nicht. Vielleicht wussten sie, wie es bis zum nächsten Dorf aussieht, aber weiter nicht.
Hier in Cuemba gab es wieder einmal einen Bahnhof.
Dienstags und mittwochs fuhr er in meine Richtung, nach Nordosten, freitags und samstags zurück nach Kuito. Ich kam am Mittwoch, nachdem der Zug abgefahren war, dort an.
Mein erster Gang war mal wieder zur Polizei, die immer mit mir reden wollte. Das ist eine Ehre, die ich dem Polizeichef erweisen musste. Wann kommt schon einmal eine weiße Touristin hier durch? Und dann noch mit dem Fahrrad?
Als Dolmetscher wurde ein netter, junger Lehrer herbeigerufen. Er hatte seine Kindheit im Flüchtlingslager in Sambia verbrach. Er sprach sehr gut Englisch.
Nachdem sie alles über mich ausgefragt hatten, meinten sie, ich solle lieber heute Nacht hier schlafen, Der Weg zum nächsten Dorf, 64 Kilometer, sei sehr schlecht, viel Sand und im Wald gäbe es Löwen.
Es war zwar erst Mittagszeit, aber nachdem ich mit dem Dolmetscher meine Einkäufe gemacht hatte, war es für mich zu spät. Ich schlug mein Zelt bei der Polizei auf.
Voller Zuversicht, startete ich am nächsten Morgen. Jetzt hatte ich doch schon so viel hinter mich gebracht, dann werde ich das doch auch noch schaffen.
Für die ersten 15 Kilometer brauchte ich zwei Stunden.
Es kam kein einziges Fahrzeug in dieser Zeit.
Ich setzte mich unter einen Baum, genoß die Ruhe und fuhr wieder zurück.
Wenn ich die Strecke fahren möchte, dann musste ich zumindest mehr Wasser mitnehmen.
Am Tag darauf: Neuer Start mit circa 14 Liter Wasser und extra viel Essen.
Nachdem ich die Strecke von gestern hinter mich gebracht hatte, fing der Sand an. Zuerst konnte ich wenigstens ab und zu fahren.
Dann kam tatsächlich ein Auto! Das erste überhaupt, der Krankenwagen aus Cuemba. Hinten war alles ausgebaut. Auf dem bloßen Blech saßen drei Pfleger. Mein Fahrrad kam in die Mitte und ich auf die Seite.
Eigentlich dachte ich, sie fahren bis Munhango. Sie bogen aber vorher bei ein paar Hütten ab.
Es waren immer noch 24 Kilometer bis Munhango. Ich war eigentlich der Meinung, ich würde es noch schaffen, es war ja erst Mittagszeit.
Nach 12 Kilometern gab ich auf.
Ich konnte bei dem tiefen Sand keinen Meter fahren. Ich musste mein Fahrrad schieben. Mir tat alles weh, ich war fix und fertig. Da die ganze Zeit kein Auto kam, baute ich mein Zelt gleich neben der „Straße“ auf.
Kein Gedanke an Löwen oder sonstiges Getier. Nachdem ich gegessen hatte, schlief ich fantastisch. Das war das fantastische an der abgeschiedenen Gegend. Diese absolute Ruhe.
Am nächsten Tag schob ich die zweite Hälfte und kam zur Mittagszeit in Munhango an. Wieder einmal war der erste Gang zur Polizei. An Weiterschieben war natürlich nicht zu denken. Ich musste mir etwas anderes einfallen lassen.
Es wurde die Chefin der Polizei geholt. Solange die anderen Polizisten einen Platz für mich zum Zelten gesucht hatten, hatte sie mich zu sich eingeladen. Wir waren der gleiche Jahrgang und waren uns irgendwie gleich sympathisch.
Das war wirklich absoluter Luxus.
Sie wohnte in einer der Neubauten für die Funktionäre, voll ausgestattet mit Ledersofa, riesigem Fernseher, richtiges Bad mit Badewanne usw. So etwas hätte ich in Angola nie vermutet und schon gar nicht in dieser Einöde.
Der Rest des Dorfes bestand aus Trümmern aus Kriegszeiten. Ruth hatte die ganze Zeit hier oder in Cuemba verbracht. In dieser Gegend hatte es schwer gewütet. Nirgends konnte sie hin. Nicht zu Fuß, da alles voll von Tretminen war und nicht mit dem Auto, da das gleich beschossen wurde.
Seit ich in Angola war, entzündete sich jeder kleinste Kratzer an meinen Beinen. Ich versuchte es bisher mit Desinfektion und Antibiotika-Creme mit wenig Erfolg.
Hier konnte ich endlich zum „Posto de Saude“, um die Wunden richtig säubern und verbinden zu lassen.
Dazu gab es noch eine Aufbauspritze. Das Ganze hat ganz schön weh getan. Ich wollte mir nichts anmerken lassen, da sie sicherlich schlimmeres durchgemacht haben.
Obwohl die Polizisten in Cuemba meinten, hier gäbe es überhaupt nichts, kein Wasser und keinen Laden, bekam ich doch alles. Selbst ein Bier konnte ich mir als Belohnung für die Strapazen kaufen.
Mit den Polizisten haben wir ausgemacht, dass sie Bescheid geben, wenn ein Fahrzeug durchkommt, das mich mitnehmen konnte. Da der Verkehr hier gleich Null war, war damit an diesem Tag nicht mehr zu rechnen.
Am Morgen, es war so gegen 6 Uhr, ich wollte mich gerade nochmals umdrehen, da wurde ich schon gerufen. Schnell, schnell, ein LKW war da und konnte mich mitnehmen.
Da wurde sogar ich ohne Kaffee aktiv. Wer wusste, wann das nächste kam.
Schnell mein Fahrrad auf Kisten mit Tomaten hinter all die Kanister gebunden. Und mal wieder eine Verabschiedung.
Wieder eine lange abenteuerliche Autofahrt.
180 Kilometer bis nach Luena. Ob das gut ging? Der LKW stammte sicher noch aus Vorkriegszeiten. Es war praktisch nur noch Karosserie, die Sitze waren nur eine Plane.
Als das Auto nicht mehr anspringen wollte, wurde schnell der Motor mitten im Sand zerlegt. Ob es ein größeres Problem sei, wollte ich wissen. Nein, nein, und schon war alles wieder zusammengebaut und das Auto sprang an.
Es war schon dunkel, als wir in Luena angekommen waren. 14 Stunden für die 180 Kilometer, mit dem Auto! Unter normalen Umständen wäre ich mit dem Fahrrad fast schneller. Bei meiner Schiebegeschwindigkeit hätte ich dafür zwölf Tage gebraucht.
In Luena war Teer!! Welch herrlicher Anblick.
Natürlich war die Polizei wieder meine Anlaufstation. Nicht nur zum Übernachten, sondern auch um die besten Informationen für die weitere Strecke herauszufinden – dachte ich.
Ja, bis zur Grenze nach Sambia, auf der Strecke, die ich fahren möchte, wäre alles geteert.
Also fuhr ich mal wieder voll Freude los. Allerdings nicht lange. Mir war überhaupt nicht gut. Die lange abenteuerliche Autofahrt hatte ihre Nachwirkungen. Auch meine Wunden wurden nicht besser.
Ich setzte mich an den Straßenrand um auszuruhen. Ein Mopedfahrer kam vorbei, hielt an, setzte sich zu mir. Er war ganz ruhig. Belästigte mich nicht mit den ewig gleichen Fragen, sondern war nur da. Ich war ihm so dankbar dafür. In Luena gäbe es ein Krankenhaus, meinte er, ich solle doch dahin zurück. Das wollte ich überhaupt nicht. In die andere Richtung käme lange nichts.
Ich wollte gar nichts, nur im Schatten sitzen. Bevor der Mann weiter fuhr, bot er mir eine Manyok-Wurzel an. Man konnte sie auch roh essen. Ich lehnte dankend ab. Wer weiß,was er sonst noch zu essen hatte, außer den Keksen, die ich ihm schenkte.
Nach zwei Stunden ging es mir besser und ich kam bis Canaje. Schon von Weitem sahen sie mich kommen und holten sofort den Pfleger. Er hatte eigentlich schon Feierabend, schloß aber das Gesundheitszentrum wieder auf.
Wie üblich in den Dörfern gab es auch hier weder Wasser noch Strom. Da ich inzwischen zehn Wunden hatte, dauerte es etwas. Es wurde dunkel. Ich leuchtete ihm mit meinem Kindle.
Nach vollbrachter Tat gingen wir in die Cantina.
Ich lud den Pfleger und seinen Assistenten zum Bier ein. Dazu wurde Essen serviert. Als Licht musste die Batterie-Lampe reichen. Ich hatte zum Glück meine Stirnlampe inzwischen aus den Radtaschen geholt.
Das Bier durfte ich bezahlen, das Essen nicht. Dazu wurde ich eingeladen.
Bevor ich am nächsten Tag weiter fuhr, ging es nochmals in das Gesundheitszentrum, um nach den Wunden sehen zu lassen. Er gab mir Paracetamol und ein Rezept für Dyclophenac und Antibiotika. Die sollte ich im Krankenhaus in Lucusse holen.
Ich bedankte mich vielmals, bezahlen musste man in Angola für die Behandlung nichts. Ich schenkte ihm dafür eine meiner Stirnlampen, damit er in Zukunft auch im Dunkeln behandeln konnte.
In dieser Gegend wurde schon sehr viel von dem Wald abgebrannt, um Manyok anzubauen.
Ob das wohl so gut ist? Ich weiß allerdings nicht, was sonst auf dem sandigen Boden wachsen könnte.
Es war Mittagszeit, als ich in Lucusse ankam. Eigentlich wollte ich nur eine längere Mittagspause machen, meine Medikamente holen und weiter, obwohl ich kaum mehr in meine Radschuhe passte.
Der Pfleger war ein kleines, zahnloses Männchen, der sofort einen Teil der Medikamente holte.
Einen Teil holten wir zusammen beim „privaten“ Arzt. Seine Frau verkaufte Medikamente, die auf irgendwelche obskuren Wegen aus China in das Land kamen.
Eric, der Arzt hat sich gleich meiner angenommen. Es hatte ihm nicht gefallen, wie der Pfleger in Canaje meine Wunden verbunden hatte
Seine Ausbildung hatte er im Kongo gemacht, als er dort als Flüchtling war, sprach deswegen französisch.
Seine Hauptaufgabe war, das Team von MAG (Mines Advisory Group), die die Minen suchten und entschärften, zu begleiten.
Zufällig waren alle gerade im Lager, wo ich mich umsehen durfte und ein paar Fragen stellen konnte. Etwa 400 Minen haben sie in den letzten Jahren entschärft. Sie haben noch genug Land zu kontrollieren, das reicht für die nächsten Jahre.
Zum Glück ist jetzt schon lange kein Unfall mehr passiert. Nach dem Krieg, als die Flüchtlinge wieder zurück nach Angola wollten, mussten sie schnell das ganze Gebiet vor allem hier in der Gegend nach Sambia, säubern.
Precious, Erics Frau, war in Sambia im Asyl. Zwei von ihren drei Söhne sind noch mit ihrer Mutter dort. Sie wollten noch nicht wieder zurück. Es war alles einfach zu schrecklich. Sie wollten zuerst mal die Wahlen 2017 abwarten.
Eric verbot mir, meine Schuhe vorerst anzuziehen. War auch kaum mehr möglich.
(Jetzt kann ich ja die Fotos veröffentlichen. Es ist alles wieder gut, nur ein paar Narben sind noch übrig. )
Da hier einige im Flüchtlingslager in Sambia waren, wurde ich öfters auf Englisch angesprochen. Das ist mir natürlich viel lieber als die Amtssprache Portugiesisch.
Ein Lehrer kam extra vor seinem Unterricht vorbei. Er unterrichtete Englisch, wurde dafür aber nicht bezahlt. Der Staat hatte dafür kein Geld. Er überlegte sich, zurück in das Flüchtlingslager nach Sambia zu gehen, da ging es ihm viel besser.
Damit war er nicht der Einzige.
Nach einer Nacht zelten an der Polizeistation, setzte ich mich an den Posten, wo die Fahrzeuge kontrolliert wurden. Da ich nicht Radfahren konnte, hoffte ich, wenigstens von einem Auto mitgenommen zu werden. Der Termin für meinen Rückflug saß mir im Nacken.
Man sagte mir gleich, ich solle mir keine großen Hoffnungen machen. Es führe kaum einer diese Strecke. Komisch, es war eine Hauptstraße zur Grenze, (bisher) geteert.
Tatsächlich verbrachte ich den ganzen Tag dort, schrieb Tagebuch und habe mich mit den Leuten unterhalten. Die Polizisten hatten wirklich einen lockeren Job. Sobald ein Auto kam, fuhren siein den Ort.
Erst am Abend, ich war hungrig und gerade dabei meinen Kocher anzuwerfen, kam ein Auto, das mich mitnehmen konnte.
Einerseits froh, dass ich endlich wegkomme, andererseits war ich hungrig und wollte nicht gerade in der Dunkelheit fahren. Mir blieb nicht viel übrig. Mein Fahrrad wurde auf Paletten von Bierdosen und Softdrinks geladen. Ich durfte im Fahrerhaus des Toyota – Allrad – Pickups Platz nehmen.
Kaum aus dem Ort hinaus, merkte ich sofort, warum niemand diese Strecke fuhr: Sand! Ich fasste es nicht! Wurde mir doch beteuert, dass bis zur Grenze alles geteert sei. Nein, die nächsten 200 Kilometer waren wieder nur Sand. Dieser feine, tiefe Sand, wie ich ihn schon zu genügen kannte.
War ich froh, nicht die Nacht in Lucusse geblieben zu sein und am nächsten Tag mit dem Rad startete.
Die Strecke war so schlimm, dass der Fahrer, Oskar, seine eigenen Wege durch das Gebüsch und hohe Gras gesucht hatte. Selbst mit dem Allrad hatte er Schwierigkeiten durchzukommen. Mein Sitzplatz war zum Glück wesentlich bequemer als in dem alten Lastwagen von Munhango nach Luena. Oskar machte einen netten, vertrauenserweckenden Eindruck. Schnell merkte ich, er fuhr die Strecke nicht zum ersten Mal.
Natürlich blieb eine Reifenpanne nicht aus.
Unglaublich schnell haben Oskar und sein Helfer Emanuel das Rad gewechselt. Und das bei Dunkelheit im Sand. Sie waren wirklich sehr erfahren.
Mitten in der Nacht kamen wir an einem Haus in einem Dorf am Sambesi an. Alle, die noch im oder auf dem Auto waren, legten sich in dem Haus schlafen. Also tat ich das auch. Wenigstens für ein paar Stunden.
Am Morgen fragte mich Emanuel, wie ich denn jetzt weiter kommen würde. Über dem Fluss seien es nochmal 56 Kilometer bis zur Grenze – im Sand!
Ich fasste es nicht. Mir wurde gesagt, hinter dem Sambesi wäre Sambia. Von da an wäre alles geteert und wunderbar. Ich fragte mich, wann diese Irrfahrt zu Ende sein würde.
Emanuel meinte aber gleich, ich könne mit ihnen mitkommen.
Das Auto wurde auf dieser Seite des Flusses gelassen. All die Waren, wurden in einen Einbaum geladen, mein Fahrrad auch,
und über den Fluss gebracht.
Auf der anderen Seite warteten wir auf einen anderen Pickup, der uns bis zur Grenze brachte.
Das ganze war ein Familienunternehmen. Oskar und Emanuel kauften in Luena die Waren ein, fuhren bis zum Sambesi, wo ein drittes Familienmitglied ein Einbaum hatte. Ein viertes Familienmitglied hatte auf der anderen Seite einen Pickup und an der Grenze hatte ein fünftes Familienmitglied einen Laden.
Der jetzt wieder vor vollen Regalen stand.
Das Ganze machen sie ein- bis zweimal die Woche.
All die Familienmitglieder mit ihren Familien lebten vom Gewinn, den sie dadurch machten, der bei ein paar Cent pro Getränkedose lag. Aber anscheinend reichte es. Es gab sonst keine Jobs.
Und wieder war ein Tag vergangen. Ich zeltete hinter dem Laden und schob mein Fahrrad am nächsten Tag über die Grenze.
So vielen Menschen in Angola bin ich zu tiefstem Dank verpflichtet. Es waren immer wieder Leute da, die mir weiterhalfen. Das machte das Land, trotz allen Schwierigkeiten so liebenswert.
Ich war 19 Tage im Land und bin 880 Kilometer gefahren. Wieviele Kilometer es zusätzlich im Auto waren, kann ich nicht sagen.
Diese Strecke, die ich gewählt hatte, waren keine kleinen Nebenstrecken, sondern noch als „Primary Highways“ markierte Straßen.
Seit die Eisenbahnlinie wieder in Betrieb war, wurde die Straße so vernachlässigt, dass sie praktisch nicht mehr in Benutzung war.
Falls jemand auf die Idee kommen sollte, von Angola nach Sambia zu fahren, vor allem, wenn er ein Fahrzeug hat, das nicht in einen Einbaum passt, sollte er die Strecke über Malanje nehmen und bei Mwinilunga bei Kongo über die Grenze nach Sambia. Dort gibt es eine Brücke über den Sambesi.
Dieses Jahr sind Wahlen. Ich wünsche dem Land, alles Gute, die Leute haben es wirklich verdient.
hallo dorothee,
bin echt sehr beeindruckt von deiner tour.
ich wuensche dir weiterhin viel glueck und weniger sand….
heike
Vielen Dank, Heike. Ich wünsche Dir auch viel Spaß auf Deiner Tour. Wo steckst Du denn gerade?