Martin Kaufmann fragte mich während des Interviews für seinen Podcast ”Abenteuer Momente”: Was braucht man für ein Micro-Adventure? Hier möchte ich eine ausführlichere Antwort geben, an einem Beispiel, das ich erst vor kurzem hatte.
An Ausrüstung brauchst du nichts, gar nichts. Das Mikro-Abenteuer ist eine mentale Einstellungssache. Spontaneität ist sehr nützlich, Neugierde, Offenheit, manche, besonders Neulinge, brauchen sicherlich auch etwas Mut. Zeit ist auch wichtig.
Was man auf jeden Fall nicht braucht, nicht einmal haben darf, ist ein Plan, wenigstens keinen genauen. Was man nicht erwarten kann ist ein “rundum sorglos Paket”. Für mich ist ein Abenteuer eine Aktion, deren Ausgang total unbekannt sind.
So und nun mein Beispiel vom letzten Samstag.
Start
Das einzige was ich wusste war, ich wollte nach Freudenstadt. Von Lahr aus zu weit, hin und zurück, mit einer Akku Ladung. Also eine Zug-Rad Kombination. Im Kinzigtal ist das ja gar kein Problem. Als ich losfuhr habe ich nicht einmal an ein Micro-Adventure gedacht.
Es war ein wunderbarer Samstagmorgen. Noch etwas kühl, der weiße Nebel stieg hoch, in Erwartung eines sonnigen Tages.
Ich wohne wirklich in einer der schönsten Gegenden Deutschland. Eigentlich wollte ich nur über den Berg und beim ersten Bahnhof in den Zug.
Es war zu schön um in den Zug zu steigen, Freudenstadt kann warten. Also weiter, wunderbar das Kinzigtal hoch, bis Haslach. Dann war es allerdings Zeit, in den Zug zu steigen. Ich hatte noch ein paar Minuten, bis der nächste Zug fuhr. Zeit, das kleine Städtchen, an dem ich sonst immer vorbeifuhr, mal anzuschauen. Unglaublich, was ich seither verpasst habe. Wirklich ein schmuckes Dörfchen mit viel Fachwerk. Obendrein gab es heute nicht nur den normalen Wochenmarkt, sondern auch den Kürbismarkt der Landfrauen.
Am Bahnhof traf ich eine Frau mit E-MTB, wie ich. Wir kamen ins Gespräch. Sie erzählte mir, wie sie mit ihrer Familie das Murgtal von Freudenstadt runtergefahren ist.
Stimmt, das wollte ich ja auch schon lange, Warum denn nicht heute?
Tour de Murg
Nachdem ich mit dem Zug in Freudenstadt angekommen war und meine Erledigung erledigt war, machte ich mich auf, nach dem Start des Murgradweges zu suchen.
Wenn ich mir was in Kopf gesetzt habe, lasse ich mich nicht so leicht davon abbringen.
Normalerweise mache ich so etwas nicht als Micro-Adventure, sondern geplant als normale Tour. Geplant – mit Track auf meinem GPS. Aber heute war ja Micro-Adventure angesagt. Allerdings ahnte ich schon, dass, wenn ich mal den Einstieg entdeckt hatte, das Abenteuer vorbei sein würde. Die Radwege sind viel zu gut ausgeschildert.
Dem war dann auch fast so. Es war nur schönes Radfahren entlang der Murg.
Neben dem Radweg plätschert das Bächlein
Bei dem Gefälle konnte ich den Motor ausschalten und ohne Motorgeräusche dahinfahren. Meist ist das Tal so schmal, dass nur der Radweg neben den Fluss passt. Keine Straße weit und breit, von wo andere Motorgeräusche kommen könnten.
Trotz des Wochenendes und wunderbaren Wetters war sehr wenig los. Große Gefahren bestanden auch auf Engstellen nicht.
Idyllisch ging es über Brücken,
und auf kleinen Straßen, die soweit geteert waren. Also alles kein Problem.
Auf Abwegen ins Abenteuer
In Schönmünzach wurde ich von Rennradlern überholt. Ich hatte natürlich nichts besseres zu tun, als ihnen hinterher zu düsen. Natürlich waren die noch um einiges schneller.
Irgendwann fragte ich mich, ob ich überhaupt noch auf dem Murgradweg war. Komischerweise ging es jetzt bergauf und das schafft der Fluss mit Sicherheit nicht 😉
Am Anfang war es noch sehr blumig.
Da sah ich, ich war auf der “Romantik-Route”. Ein Blick auf die Karte zeigte mir, hier geht es zum Mummelsee. Da war ich ja auch noch nie und wollte schon lange mal wieder hin. Also weiter.
Nur ahnte ich da noch nicht, dass ich dafür nochmals fast 600 Höhenmeter überwinden muss.
Obwohl ich die Strecke ab Freudenstadt fast ohne Motor gefahren bin, hatte ich doch schon etwas Akku verbraucht. Bei der Steigung nahm die Ladung sehr schnell weiter ab, also lieber mit kaum Unterstützung.
Konnte ich ahnen, dass ich heute noch so eine schöne Tour machen würde? Natürlich hatte ich kein Ladegerät dabei. Dadurch wurde der Genuss der Tour nicht geschmälert. Auch nicht, als der Weg wegen Holzfällerarbeiten gesperrt war.
Zwei junge Männer kamen mit Rädern daher und schauten etwas ratlos. “Einfach offen sein, für alles, was kommt” meinte ich gut gelaunt. Weiter unten ging auch noch ein Weg zum Mummelsee weg. Zusammen drehten wir um. Ich ließ sie ziehen, mit kaum Unterstützung waren sie wesentlich schneller – dachte ich.
Ich fragte einen Wanderer, der mir entgegenkam, ob ich da mit dem Rad gut durchkommen würde. Er stellte die Gegenfrage:”Haben Sie genug Saft da drin?” und zeigte auf den Akku.
Lachend antwortete ich “Nein, aber ich habe noch genug Saft da” und zeigte auf meinen Oberschenkel.
Es war dann kein Problem, ich kam auf den Wegen gut hoch, wenn sie auch teilweise sehr steil waren.
So ruhig wie es die ganze Zeit war, so erschrockener war ich, als ich am Mummelsee aus dem Wald kam
alles zugeparkt.
Zuerst kämpfte ich mich zwischen Souvenirläden,
Kuckusuhren
Bild
und Bratwürsten. Und wo ist der See? Hier…
wesentlich kleiner, als ich vermutete. Der Karsee ist während der Eiszeit entstanden. Hoch darüber thront der Hornissgrindeturm. Meine zwei Radler traf ich hier auch wieder, schweißgebadet.
Mich hielt hier nichts. Ich schaute, wie ich ins Rheintal und auf einen Bahnhof komme.
Ein paar hundert Meter weiter war alles wieder schön ruhig. Bei einer fantastischen Aussicht ging es 16 Kilometer steil bergab auf den Bahnhof nach Achern. Das war dann nochmals ein bisschen abenteuerlich. Steil hinab auf Schotterpiste bin ich nicht so gewohnt.
Kurz vor Dunkelheit war ich wieder zurück.
Fazit
Nichtsahnend fuhr ich am Morgen los und hatte dann eine wunderschöne Tour. Natürlich war ich wesentlich länger unterwegs als geplant. Na und? Da ich an dem Tag keine Termine mehr hatte, konnte ich mir meine Zeit frei einteilen, was ich reichlich ausgenutzt habe.
Nach so einem Tag lassen sich dann die üblichen Pflichten viel leichter erledigen. Ich bekam wieder gesunden Abstand zum Alltag, konnte meine Gedanken auf angenehme Dinge lenken.
Und ein Tag an der frischen Luft mit viel Bewegung, stimmt mich immer positiv und schafft mir Energie. Das prima Wetter hat natürlich sehr zu diesem Gelingen des Micro-Adventures beigetragen.
Wann gibt es bei Dir das nächste Mikro-Abenteuer?
Für mich steht ein ganz anderes Abenteuer an: Morgen geht es mit dem TGV für drei Tage nach Paris.
Herrlich, als kurzzeitige Schwarzwälderin und begeisterte Radlerin ist dieser Bericht eine schöne Inspiration zurück in der Heimat Oberhessen einfach mal ohne spezielles Ziel loszufahren!
Vielen Dank für die vielen kurzweiligen und informativen Berichte!
Vielen Dank für den netten Kommentar und viel Spaß beim einfach losradeln.
Liebe Grüße,
Dorothee Fleck