Eurobike 2021
Lange war auf dem Messe-Sektor nichts los. Mehr als ein Jahr hatte ich das Feeling der weiten, interessanten Welt nicht. Netzwerken geht Online nicht so gut. Darum war es für mich keine Frage: Eurobike muss sein.
Meine Devise ist: “Never change a running system”. Mit meinem Fahrrad, Equipment und Setup bin ich mehr als 200.000 Kilometer, mehr als zufriedenstellend, gefahren. Warum und was soll ich daran ändern? Ich brauche kein Gravelbike mit Bikepacking-Equipment. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie viele Dinge ich nicht brauche.
Trotzdem, neugierig bin ich ja schon. Natürlich möchte ich wissen, was es so alles Neues gibt. Und für die eigene Sichtbarkeit gibt es ja nichts besseres, als sichtbar zu sein. 😉
Anreise
Aus Zeitgründen konnte ich leider nicht die ganze Strecke mit dem Fahrrad fahren. Am 1. September mit der Bahn waren zumindest die Verzögerungen noch nicht eingeplant. Der Streik der Lokführer begann erst am 2. September. Wohlweislich habe ich mein E-Bike mitgenommen. Wer weiß, ob am Freitag überhaupt noch Züge fahren, oder ob ich mit dem Fahrrad heimfahren darf.
Trotz immensen Verspätungen kam ich schlussendlich doch nur 10 Minuten verspätet an. Zugfahren kann abenteuerlicher als Radfahren sein .
Es war noch nie so fantastisches Wetter während der Eurobike. Der See hat schon was für sich. Die Uferpromenade war voll, nicht nur mit Fahrrädern! Ein gemischtes Gefühl von Urlaub und “weiter Welt” machte sich bemerkbar.
Vielen Dank an den SC Friedrichshafen. Messe-Teilnehmende dürfen auf dem Sportlatz für 7 Euro zelten. Das ist ja für mich nicht nur wie Urlaub, ich möchte ja nicht nur über “Microadventure” reden, sondern auch machen!
Der Platz war fast leer. Andere Camper meinten, auch auf der Messe sei kaum etwas los. Ein Blick in das Aussteller-Verzeichnis zeigte, es fehlten einige Marken, wie Ortlieb, Tubus , VauDe, Velotraum, …
Erster Messetag
Jeder Messetag beginnt mit einem Frühstück in der Blogger-Space.
Ein Rundblick, wer ist alles dabei? Ich gehöre nicht zu den “Influencern”, die man über Social Media kennt. Mittlerweile bin ich auch etwa 20 Jahre älter als der Durchschnitt.
Mein T-Shirt, auf dem steht: “assuming I am just an old lady was your first mistake” sollte mein Gegenüber etwas vorbereiten.
Eigentlich bin ich ganz froh, dass mich nicht jeder kennt und ich in Ruhe über die Messe laufen kann. Andererseits freut es mich, wenn mich spezielle Leute erkennen.
Blogger-Rundgang
Vielen Dank an Writers Club, Pressedienst Fahrrad und wer noch dazugehört, für die Organisation nicht nur des Blogger Spaces, sondern auch des Rundganges.
Innovative Firmen wurden ausgewählt und eine Blogger-Präsentation vereinbart.
Der erste Stand war Shimano. Eigentlich nicht so meine favorisierte Marke. Bei meinem Reiserad war ich stolz, fast ohne Shimano auszukommen. Nur die Pedale sind von der Marke.
Die Hauptschwerpunkte auf der Messe waren natürlich Pedelecs/E-Bikes, Lastenräder und wenn es ohne E ist, dann aber ein Gravelbike.
So war auch bei Shimano der Fokus auf den neuen Motor: EP8
Als Ambassadeur hat Shimano sich Sven Hannawald geangelt.
Irgendwie passt das. Er wurde auch immer leichter und leistungsfähiger. Nur hatte die Karriere von Sven Hannawald ein unschönes Ende im Burnout.
Eigentlich sagt mir 85 Newtonmeter Drehmoment nichts, unter 400% Trittkraftunterstützung kann ich mir ein bisschen was vorstellen. Leiser und leichter ist auf jeden Fall ein Kriterium.
Dass man das Display hinter die Lenkstange angebracht hat, um es bei Stürzen zu schützen, ist sinnvoll. An meinem E-Bike (mit Yamaha-Motor) ist das Display nicht mittig sondern an der linken Seite der Lenkstange angebracht. Bei Stürzen (Hatte ich schon welche mit dem E-Bike?) wird es nicht beschädigt. Allerdings wenn ich mein Fahrrad auf den Kopf (bzw Sattel 😉 ) stelle, sollte ich was darunter legen.
Mir hat ein bisschen das Gefühl gefehlt. Warum brauche ich den Motor? Zum Beispiel “Es bringt mir die Entdeckung der weiten Welt ein bisschen näher “ (wenn ich sie nicht schon ohne Motor beradelt hätte 😉 ), das Gefühl von Freiheit und Abenteuer auf neuen Wegen, die mir dadurch eröffnet werden usw..,
Eine Testfahrt bringt mehr als tausend Worte. Am Besten gleich im Gelände und nicht nur im überfüllten Testparkur auf der Messe.
Weiter zu Schwalbe
Ich bin auch unter sehr witzigen Umständen zur Testfahrerin von Schwalbe geworden. (Andeutungsweise nachzulesen auf meinem Blog ) Hier musste ich lernen mein guter alter Marathon Mondial ist “old school”. Es gibt ihn zwar noch, aber weitaus gefragter ist wegen des ganzen “Gravelbike-Hype” der G-One.
Preislich liegen sie etwa gleich wie der Mondial, dafür lernt man hier endlich wieder eher, wie man einen Reifen flickt 😉 . Aber es gibt sie auch “Tubeless”, den G-One Bite und G-One-Ultrabite.
Für die, die noch mit Schlauch, aber trotzdem Gewicht sparen wollten, gibt es nun den etwas kostspieligen Aerothan – Schlauch. Dafür wiegt er kaum mehr was.
(Noch) etwas weniger bekannt, ist die Firma “Classified”. Um den vorderen Umwerfer bei einer Kettenschaltung zu sparen, haben sie den Power Shift Nabe entwickelt
Erwartet bitte jetzt nicht, dass ich Euch die Technik erkläre. Auch hier ist viel wichtiger, selbst austesten, das Fahrgefühl spüren.
Es hat der Firma immerhin den “Gold Winner Award 2021” eingebracht.
Als nächstes ging es zu dem Vorreiter der E-Bikes, dem Flyer aus der Schweiz.
Da ich selbst bis 2008 in der Schweiz gearbeitet habe, bekam ich die Anfänge hautnah mit, als der erste Kollege mit seinem Akku, der damals wie ein Handstaubsauger aussah, ins Büro einmarschierte.
Seitdem hat sich natürlich einigens getan, wie auch sich das Image von E-Bike-Fahrern geändert hat. Es gibt nicht nur den Flyer für die ältere Generation mit Tiefeinstieg, mittlerweile gibt es auch die hochklassigen “SUV”s, fast wie E-MTB, aber mit Gepäckträger für Touren. Dem Panasonic Motor bleiben sie treu.
In der Schweiz verkaufen sie wesentlich mehr S-Pedelecs, da die Gesetzgebung für S-Pedelecs nicht so streng ist wie in Deutschland. Soweit ich weiß, stand das S bei S-Pedelec für “Schweizer”, mittlerweile wir es eher als “Speed” interpretiert.
Vielen Dank an Anja Knaus, eine der wenigen Frauen hier in der Fahrradindustrie.
EuroBike Stage/ Akademie
Nach dem doch sehr bewegungsreichen Vormittag, kamen mir die zwei Vorträge sehr gelegen.
Der erste “Diversity in the cycling sector”: Wenn man sich auf der EuroBike umschaut, dann ist doch ein hoher Prozentsatz männlich. Wie kann man das ändern? Was bedeutet “cycling sector”? In der Fahrradindustrie? Im Tourismus? Oder einfach als Fahrradfahrerin?
In der Fahrradindustrie kenne ich im mich nicht so gut aus. Aber es gibt sie, wie man nicht nur an den Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion sehen konnte (oder an der sehr kompetenten Anja Knaus von Flyer). Die Anzahl der allein reisenden Radfahrerinnen ist extrem gestiegen, oder sie sind jetzt durch Social Medial sichtbarer?
Meiner Meinung nach, lernt man am Besten durch Vorbilder und Nachahmung. Und die werden immer zahlreicher.
Wenn man allerdings die Anteil der Frauen auf Messen wie der EuroBike erhöhen möchte, sollte man vielleicht das Konzept ändern.
Den nächsten “Vortrag” konnte ich mir nicht entgehen lassen: “Das 1×1 des Gravelbikes” mit Felix Krakow und Gunnar Fehlau.
Vor ein paar Jahren hat mich ein Freund gefragt, was ich von Gravelbikes halte. Meine Antwort: nur ein Hype, wird wieder verschwinden. Das gleiche habe ich vor 30-40 Jahren von Mountainbikes gedacht. 🙈 Es scheint, dass ich bei den Gravelbikes genau so daneben lag, war es doch einer der Schwerpunkte der diesjährigen Messe. Gravelbikes waren fast die einzigen noch ohne “E”, obwohl es sie natürlich schon mit “E” gibt.
Hauptsächlich Rennradfahrer steigen auf Gravel um, da ihnen bisher die Schotterpisten verwehrt waren. Mountainbiker konnten schon immer durchs Gelände düsen, halt nicht so schnell.
“Für Rennradler erschließt sich eine ganz neue Welt. “Was für mich mit jeder neuen Rad-Version der Fall war: mit dem Mountainbike in die Berge, mit dem Rennrad die abgelegenen Straßen im Schwarzwald und mit meinem Velotraum-Reiserad erschloss sich mir sowieso die ganze Welt.
Wenn ich dem Trend so folge, scheint mir, Gravelbike hat vor allem im Zusammenhang mit “Bikepacking” auch die Mountainbiker zum umsatteln animiert. Leichter und schneller ist man auf Touren unterwegs. In der heutigen Zeit, in der die meisten Leute unter Zeitnot leiden, ein Argument.
Vielen Dank den beiden, ich habe einiges gelernt, werde mir trotzdem kein Gravelbike zulegen, das wäre sonst mein neuntes Fahrrad. 😉
Weitere Entdeckungen
Am Ende des Tages entdeckte ich noch vier weitere interessante Dinge.
Zuerst dachte ich, es ist ein neuer Tubus – Gepächträger für Fullies. Dem war nicht so, der Gepäckträger war nur nicht am Sattelrohr befestigt. Die Idee, das Schloß dort unterzubringen, fand ich sehr gut, da ich im Rahmen oder sonst schon alles voll mit Wasserflaschen habe.
Sehr stylisch (und nachhaltig) sind die Holzhandgriffe von VeloSpring.
Auf den ersten Blick sehen sie sehr unbequem aus, obwohl sie eine “ergonomische Form” haben. Der Trick ist, sie haben innen eine Feder, die jeden Schlag abfängt. Verständlich, dass sie nicht gerade preisgünstig sind.
Ortlieb hatte keinen Stand, die neue Rucksack-Fahrradtasche “Vario-PS” konnte ich trotzdem bewundern. Sie hatte auch einen Award bekommen.
Sicher ganz praktisch für einen Tagesausflug.
Ein Gerät, das ich jetzt nicht als “Fahrrad” bezeichnen würde, ermöglicht wirklich neue Gefilde: der Manta.
Mit dem kann man auf Wasser fahren, wenn man es kann. Dass man dafür viel Übung benötigt, zeigen die fehlgeschlagenen Versuche auf dem See beim Messegelände. Dann vielleicht doch lieber ein Tretboot.
Après Messe
Das Messegelände ist gerade mal drei Kilometer vom Bodensee entfernt. Außer mir haben noch andere Messebesucher den Abend am See genoßen.
Ab nächstem Jahr soll die Messe in Frankfurt sein. Da ist dann ein ganz anderes Ambiente.
Zweiter Messetag
Wegen des Zugstreiks wurde es ein sehr kurzer Messetag. Damit ich noch die Chance hatte heim zu kommen, musste ich den Zug 4 Stunden früher nehmen.
Der Tag, der erste Publikumstag, stand unter dem Moto: “Holiday on bike”.
Mittlerweile gibt es wohl kaum ein Land (außer Nordkorea und ein paar zentralafrikanische Staaten) die nicht mit Fahrradtouren werben. Sofort entdeckte ich Taiwan und Kanada, zwei Länder die noch auf meiner Wunschliste stehen. Wegen Corona müssen sie wahrscheinlich auch noch ein Weilchen warten.
Für heute habe ich mir hauptsächlich den “Travel Talk” vorgenommen.
Seit zwanzig Jahren findet sie nun schon statt, eigentlich noch nicht so lange, wenn ich bedenke, dass ich schon seit mehr als 40 Jahren Fahrtouren mache.
Ja, der Radtourismus ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Es gab aber schon früher Radreisende. Es gab einmal eine Zeit, da hatte noch nicht jeder ein Auto, also ist man mit dem Rad los. (zum Spaß kann man sich ja mal Heinz Erhardt anschauen) .
Nun, weil es noch keine Autos gab, brauchte man auch keine Radwege. Die Zeiten haben sich wahrlich geändert, vor allem seit dem E-Bike (Pedelec).
Es ist sicherlich für keinen von Euch neu. Aber dass Deutschland weitaus an der Spitze von Europa steht, war mir neu. ( von den 5,04 Millionen verkauften Rädern (Foto) sind 2 Millionen E-Bikes)
Jeder möchte ein Stückchen von dem Kuchen abhaben, vor allem die Tourismus – Industrie. Es ist ja auch eine starke Nachfrage da.
Mit den E-Bikes kommen mehr weiter und höher. Immer neue Pfade werden angelegt. Ob das immer positiv ist? Wer die Diskussionen verfolgt, weiß, wie kontrovers das diskutiert wird.
Der Vortrag über 3 Länder – Enduro trail Nauders Reschen zeigte, wie man mit “Salami-Taktik” (Stück für Stück) die verschiedene Interessengruppen überzeugt. Es muss wie meistens eine Person da sein, deren Herzblut an dem Projekt hängt und viel Schweiß und Geduld mitbringt.
Als Frau war ich natürlich nicht so sehr von dem Bericht von Axel Carion begeistert. Schon allein, dass er seine Rennen “BikingMan” nennt, (dass auch Frauen zugelassen sind und auch noch hervorragende Leistung bringen, habe ich erst auf der Webseite erfahren).
Die Kaffeepause nahm ich als Gelegenheit zu gehen. Noch einen Blick über die Messehallle.
Ciao Eurobike, Ade Friedrichshafen.
Im Vergleich zur Herfahrt war die Rückfahrt sehr angenehm, ruhig. Ich bedanke mich bei jedem, der wegen des Streiks zuhause geblieben ist
Anstatt auf den letzten Anschlusszug eine Stunde zu warten, bin ich lieber mit dem Fahrrad gefahren. “Machen” macht halt doch viel mehr Spaß als darüber zu reden (oder zuzuhören) 😉