Hokkaido – die Insel

Hokkaido ist nicht nur ein Kürbis

Hokkaido ist die zweitgrößte und nördlichste Insel Japans. Es hat tatsächlich etwas mit dem Kürbis zu tun, denn der kommt von dort.

Das ist ungefähr die Route, die ich gefahren bin. Die wichtigsten Eckpunkte:

  • A : New Chitose Airport
  • 5 : Cape Soya, der nördlichste Punkt Japans
  • 6 : Abashiri
  • 10 : Lake Toya, einer der für mich schönsten Orte
  • 12 : Futoro und die nächsten Kilometer, grandiose Küste
  • B : Hakodate: Hafen – Sayonara Hokkaido

An Japan, und überhaupt an die Japaner, musste ich mich zuerst einmal gewöhnen. Ich wusste, sie halten eher Abstand und lassen einen in Ruhe. Darauf hatte ich mich sogar gefreut – diesen Trubel um mich, wie in Afrika, wollte ich nicht noch einmal erleben. Allerdings war es dann das andere Extrem.

Nachdem ich mein ganzes Gepäck samt Fahrrad unversehrt abgeholt hatte, suchte ich mir außerhalb des Flughafengebäudes ein ruhiges Plätzchen, um mein Fahrrad zusammenzubauen. Gerade als ich alles ausgepackt und schön ausgebreitet hatte, kam ein Wachmann und deutete mir, dass das hier nicht erlaubt sei. So etwas war mir auf der ganzen Welt noch nie passiert. Ich musste mein Fahrrad in Einzelteilen hundert Meter weiter um die Ecke transportieren, den Karton hundert Meter in die andere Richtung zu den Mülleimern bringen. Dass dies für die nächsten Wochen die einzigen öffentlich zugänglichen Mülleimer sein würden, war mir da noch nicht klar.

Während ich mein Fahrrad zusammenbaute, nahm niemand Notiz von mir. Alle liefen nur vorbei, würdigten mich keines Blickes. OK.

Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass es um 17 Uhr schon dunkel wird. Gerade rechtzeitig erreichte ich die Sammelstelle bei Katastrophen, wo man für eine kleine Gebühr zelten kann. Es waren nur etwa acht Kilometer vom Flughafen.

Auf meiner Fahrt am nächsten Tag nach Sapporo kam ich mir vor wie ein Geist. Ich sehe alle, aber keiner sieht mich. Keiner schaut mich an, geschweige denn, dass mich jemand grüßt.

Meine erste Anlaufstelle war ein Outdoorshop in Sapporo, um noch Kartuschen und Kleinigkeiten zu besorgen. Dort traf ich einen belgischen Radfahrer. Wir waren beide hocherfreut, endlich jemanden zum Reden zu haben. Er war schon länger in Japan und meinte, er hätte seit über einer Woche mit niemandem Kontakt gehabt.

Meine Nacht verbrachte ich außerhalb Sapporos am Strand, wo man offiziell zelten darf.

Zuerst war ich die Einzige, dann kam ein sehr junger Brite, der wohl noch nicht so fahrradtourenerfahren war. Ich half ihm, das Zelt aufzustellen, und zeigte ihm, wie sein Kocher funktioniert. Es windete schon am Abend. Ich fragte mich, ob das Zelt hält, wenn es später stärker wird.

Zuerst kamen die Füchse. Ich habe immer kein gutes Gefühl, wenn es am Zelt raschelt. Als ich rausschaute, war gerade ein Fuchs dabei, mein Essen und einen Schuh zu stehlen. Den Schuh und das meiste Essen bekam ich zurück. Ich musste es noch eine Stunde verteidigen, denn es kamen immer mehr hungrige Füchse. Es konnten keine japanischen gewesen sein, denn sie verstreuten meine Mülltüte überall.

Nachdem die Füchse endlich Ruhe gaben, fing der Sturm mit heftigen Regenschauern an. Am Anfang hörte ich das Zelt des Briten heftig flattern, dann war auf einmal Ruhe.

Als der Regen nachgelassen hatte, habe ich kurz rausgeschaut. Das Zelt war mit Fahrradtaschen am Boden flach befestigt, von dem Radler keine Spur. Er hatte die Nacht im Klohäuschen verbracht.

Das war gleich zu Anfang eine der schlimmsten Nächte. Die anderen waren nicht so spektakulär.

Auf Hokkaido gibt es verschiedene Radrouten. Obwohl ich es nicht geplant hatte, war ich doch immer wieder auf einer. Zuerst war es die Nr. 7. Zwischen Sapporo und Rumoi gibt es unglaublich viele Tunnel, die bis knapp über drei Kilometer lang sind. Für mich mit meiner Tunnelphobie war das eine mittlere Katastrophe. Weil es ja eine offizielle Radroute ist, durfte ich dort auch fahren. Es gab auch Schilder, dass man auf Radfahrer achten soll. Dann sind die japanischen Tunnel, mit wenigen Ausnahmen, sehr gut beleuchtet und es gibt Frischluftzufuhr – nur ist es extrem laut. Anstatt eines „Flüsterbelags“ haben sie einen „Schreibelag“. Ein Motorrad ist so laut wie ein Panzer.

Nach Rumoi kommt nur noch ein Tunnel, dafür gibt es mehr Hügel und schöne Aussichten auf den Rishiri, den Berg auf einer Insel in der Nähe, und den Nationalpark.

Da hatte ich mich gerade an das für mich außergewöhnliche Verhalten der Japaner gewöhnt, da wünschte mir am Morgen des fünften Tages ein Motorradfahrer eine gute Reise. Freude – das hebt doch gleich die Stimmung.

Übrigens sind die Campingplätze hier meist offizielle, kostenlose Plätze oder kosten keine fünf Euro. Allerdings gibt es meistens keine Duschen. Dafür immer wieder Onsen, die heißen Bäder in Japan. An der Westküste sind sie sehr zahlreich, sodass ich die ersten Tage ganz kurze Etappen fuhr, etwa 50 Kilometer. Das war sehr entspannend.

Am Abend fragte mich ein älterer Japaner, woher ich komme. Wir hatten sogar eine kleine Unterhaltung. Geht es mir gut? Der junge japanische Radfahrer, der neben mir zeltete, schaute nicht einmal herüber.

An einem Aussichtspunkt sprach mich eine junge Japanerin mit sehr gutem Englisch an. Das erstaunte mich. Wir hatten eine richtige Unterhaltung. Als sie mir sagte, dass sie in den USA lebt und hier ihre Familie besucht, war mir einiges klar.

Nach einer Woche hatte ich mich an die distanzierten Japaner, die vielen Tunnel, das viele Plastik und die fehlenden Mülleimer gewöhnt. Ich soll meinen Müll mit heim nehmen, heißt es immer.

Ich möchte nicht wissen, was sie an der Grenze sagen, wenn ich mit dem Müll von vier Monaten in Deutschland einreisen möchte.

Und noch etwas ist absurd. Es gibt überall Getränkeautomaten mit heißen oder eisgekühlten Getränken, die viel Strom fressen, oder beheizte Klobrillen und Popoduschen. Irgendwo den Akku des Handys zu laden, ist strengstens verboten.

Was hervorragend ist, sind die zahlreichen sauberen Toiletten und das Trinkwasser. Auch zum Essen findet man immer wieder etwas. Sogar Salate, natürlich in Plastik verpackt.

Immer mit dem Blick auf den Rishiri, bin ich ganz entspannt bis Wakkanai, der nördlichsten Stadt, gefahren.

Dort war ich das erste Mal auf einem Campingplatz, der etwas kostete. Ich war bass erstaunt. Nicht einmal fünf Euro, aber eine Ausstattung mit Duschen, alles schön aus Holz mit Regalen in den Kabinen, freies WLAN, Wasserkocher und Mikrowelle im Aufenthaltsraum, und – kaum zu glauben – Steckdosen! Mir ging es gut.

Und noch das letzte Stück zum Cape Soya, dem nördlichsten Punkt Japans. Hier war mir mein allzu deutsches Verhalten doch etwas peinlich. Es war einiges los.

Viele Motorradfahrer/innen wollten sich vor dem Monument fotografieren lassen. Japaner stellen sich immer der Reihe nach an. Nur mit Motorrad war das nicht immer möglich. Als ich dachte, jetzt sei ich an der Reihe, habe ich das auch kundgetan. Woraufhin alle lachten und mir sogar anboten, mich zu fotografieren. Das war mir peinlich, denn ich merkte, dass sie eigentlich vor mir an der Reihe gewesen wären.

Ab hier ging es nur noch nach Süden. Da ich nach Norden schönen Rückenwind hatte, rechnete ich mit dem Schlimmsten. Erstaunlicherweise blieb mir der Gegenwind erspart.

Die Ostseite der Insel fand ich nicht so spannend. Hier sieht es eher aus wie daheim: viel Landwirtschaft, Wälder, Hügel. Es gibt eine größere Ebene, bevor es in die Berge geht. Dafür hat man auch mehrere parallele Straßen zur Auswahl, und es gibt nicht so viele Tunnel. Auch die Campingplätze sind hier nicht mehr so zahlreich.

Einmal musste ich auf mein Zelt verzichten, da Zelten nicht erlaubt war. Dafür standen zwei ausrangierte Zugwaggons zur Verfügung: ein Salon und ein Schlafwagen.

Echt Luxus! Es gab dazu freies WLAN und Steckdosen. In dieser Nacht hat es auch noch geregnet und gestürmt, da war ich doch im Zug besser aufgehoben, auch wenn ich den Schlafwagen mit fünf Japanern teilen musste, von denen einer schnarchte.

Bis nach Abashiri mit dem wunderbaren See wollte ich nicht weiter südlich.

Da wird es zwar sehr schön, aber das wissen auch die Bären. Kurz vor dem Winterschlaf sind sie sehr aktiv.

Ich bin dafür in die Berge gefahren, schön auf Teer, versteht sich. Die Bären mögen anscheinend den Autoverkehr auch nicht so.
Es war ganz schön viel los, zumindest am Anfang. Deswegen war ich ziemlich erstaunt, als ich bemerkte, dass ich hier auf einer offiziellen Fahrradroute (Nr. 6) bin.


Die Kriterien, nach denen die Japaner die Fahrradrouten auswählen, würde ich gerne wissen. Je höher es ging, desto weniger Verkehr gab es. Dazu noch die „Slower Traffic Lane“, wozu ich auf jeden Fall auch gehöre.

Dann passierte etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe: Ein großer, schwarzer SUV hielt schräg vor mir an, die Scheibe ging herunter, und die Beifahrerin reichte mir eine Banane! Vielen Dank!

Nach dem Sekihoku-Pass auf 1050 Metern hätte es schön nach unten gehen können.

Leider gab es sehr viele Schlaglöcher und den bisher längsten Tunnel von etwa vier Kilometern. Sehr unangenehm. Danach beginnt gleich der Sounkyo-Nationalpark mit vielen Wasserfällen. Meine Oberschenkel weigerten sich weiterer Aktivitäten; Treppensteigen zu einer Aussichtsplattform war nicht mehr drin.

Ein paar Kilometer weiter kam der Campingplatz.
Am nächsten Tag konnte ich es schön laufen lassen. Allerdings zuerst nicht auf dem Radweg, der etwas durch den Wald verlief, und wo gleich am Anfang ein Schild stand: „Achtung Bären“. Da nahm ich doch lieber die Straße mit den Lastwagen.

Nachdem ich weiter unten aus dem Wald war, konnte ich den Radweg wieder genießen.

Dann kam der erste wirkliche Regentag. Bisher hatte es ja hauptsächlich in der Nacht geregnet. Jetzt fing es richtig an. So bin ich mehr oder weniger im Regen an der wunderbaren Schlucht von Kamuy Kontan am Ishikari-Fluss entlang gefahren. Hier hat der Kampf zwischen dem Dämon und Gott stattgefunden. Auch bei Regen sehr eindrucksvoll.

Die Radwege werden leider nicht gut gewartet. Oft bin ich durch dichte Vegetation gefahren oder, wie hier, sanft auf Moos.

Einer der witzigsten Campingplätze war „Laugh Tales“ in der Gegend von Yuni.

Liebevoll wurde er mit vielen Manga-Figuren dekoriert. Man kann sofort erahnen, dass man in Japan ist.

In Chitose schloss sich der Kreis. Hier war ich drei Wochen zuvor gelandet. Jetzt bin ich nicht nach Sapporo gefahren, sondern Richtung Südwesten auf einem prima Fahrradweg, der mich direkt zum Shikotsu-See führte.

Ich hatte gelesen, dass der Campingplatz dort sehr beliebt sein soll, vor allem an Wochenenden. Es war Sonntag, und ich nahm an, dass die Camper jetzt alle abreisen. Das war leider nicht der Fall.

Was ich nicht wusste, war, dass Montag ein Feiertag war. Der 23. September, die Tagundnachtgleiche, ist in Japan ein Feiertag. Es war so voll wie auf keinem anderen Campingplatz bisher. Ohne Reservierung wollten sie mich zuerst nicht zelten lassen. Weiterfahren war nach dem anstrengenden Tag keine Option, vor allem, weil ich nicht wusste, wann der nächste Campingplatz kommt. Schließlich durfte ich doch hinter parkenden Autos auf einem Rasenstück zelten. Die Berge konnte ich trotzdem sehen, soweit sie nicht von Wolken verhangen waren.

Einen fantastischen Blick hatte ich am nächsten Tag, als ich um den See gefahren bin und das Ganze noch von oben aus den Bergen bestaunen konnte.

Der nächste Zeltplatz war am Toya-See. Hier war der Zeltplatz eher so, wie ich es gewohnt bin. Es gab noch genug Platz, und ich hatte einen freien Blick auf den See und die Berge.

Auch dieser Campingplatz hatte keine Dusche, wie auch die vorangegangenen nicht. Hier war aber die Onsen, eines der japanischen heißen Bäder, gleich nebenan. Welch eine Wohltat! Ich war danach nicht nur sauber, sondern auch sehr entspannt und müde.

Um die Bucht von Uchiura Richtung Süden herrschte reger Verkehr. Der ganze Verkehr geht hier in Richtung Süden. Für mich war das ein triftiger Grund, über die Berge an die Westküste zu fahren.

Welch ein Genuss! Nicht nur die Straßen waren leer, sondern auch die Felsformationen aus dem Lavagestein waren sehr eindrucksvoll.

Und wieder zurück über die Berge nach Hakodate,

von wo meine Fähre nach Oma auf Honshu ging.

In den drei Wochen auf Hokkaido habe ich auch eine andere Seite der Japaner kennengelernt und mich an die japanischen Sitten und Bräuche gewöhnt. Sie nehmen es mir auch nicht übel, wenn ich mich anders verhalte. Es ist eher ein Grund für sie zu lachen. Mir soll es recht sein.

Nächstes Mal geht’s weiter auf Honshu.

2 Gedanken zu „Hokkaido – die Insel“

  1. llllie liebe Doro, sehr spannend wieder von dir und deiner Rleise 💞ich kapiere nicht ganz warum ich nicht sehe was ich schreibe von daher nur viele liebe Grüße und eine gute Reise

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