Eine Hymne auf das Fahrradreisen

Eine Hymne auf das Fahrradreisen 

In letzter Zeit werde ich immer wieder gefragt, was mir am Fahrradreisen gefällt. Zuerst in dem netten Interview mit Rucksackträger @Danielschoeberl Was findest Du am Reisen mit dem Fahrrad besonders faszinierend? (Vielen Dank nochmals für den Glühwein) Schon damals erwähnte ich, das sei eigentlich ein Thema für einen ganzen Blog-Beitrag. Nun kam das Radtouren Magazin, wollte wissen, „Was ich an Radreisen liebe“.

So, nun endlich auch für Euch, für alle, die es nicht schon selber wissen, ein bisschen ausführlicher, warum ich mir das alles antue, all die Strapazen und dann noch behaupte, es gefällt mir.

 

Freiheit

Also ja, ich mag es nicht nur, sondern ich liebe es. Schon alleine wegen der endlosen Freiheit. Wie Mirjam Wouters  (cyclingdutchgirl.com) leide auch ich an Eleutheromanie, die (fast krankhafte) Sucht nach Freiheit. Ich kann fahren wann und wohin ich möchte, je nach Laune eine längere oder kürzere Etappe, wenn ich mich fit fühle und eine schöne Straße habe, liebe ich es einfach dahin zu rasen. An einem anderen Tag mache ich langsam und genieße die Landschaft. Halt immer so wie es mir gefällt. Um das Radreisen und die Freiheit voll auskosten zu können, bin ich erstens immer mit Zelt unterwegs. Ich möchte meine Etappen nicht von Übernachtungsmöglichkeiten bestimmen lassen. Überhaupt bin ich bevorzugt in Gegenden unterwegs, wo es diese nicht gibt. Wenn ich dann einen schönen Platz an einem Fluss oder auf einen Berg sehe, möchte ich da auch einfach übernachten können.

Zweitens bin ich fast immer alleine unterwegs, keiner kann mir dreinreden, ich kann für mich entscheiden, wie schnell und wie lange und wohin ich fahren will, wann, wo und wie lange ich Pause mache. Nirgendwo sonst fühle ich mich so unabhängig und frei.

Wenn ich andere Radreisende treffen, ist es auch immer nett, für eine gewisse Zeit eine Begleitung zu haben. Manchmal genieße ich dann richtig, einfach jemandem anderen die Entscheidungen zu überlassen. Freiheit kann nämlich auch ganz schön anstrengend sein.

Nach ein paar Tagen ist der Drang meine eigene Frau zu sein, wieder stärker und ich fahre alleine weiter. Mehr über alleine reisen im Blog-Beitrag Alleine

 

Abenteuer

So wie ich reise, muss und kann ich auch gar nicht planen. Ich muss mich nicht durch irgendwelche Vorgaben einschränken. Auch habe ich das Glück und achte darauf, dass ich nicht unter Zeitdruck stehe, dass ich wirklich irgendwo auch bleiben kann, wo es mir gefällt. Jeder Tag ist aufs Neue spannend, am Morgen weiß ich nie, was der Tag bringt, wen ich treffe und wo er endet. Diese Unsicherheit, die die Freiheit mit sich bringt, mag nicht jeder. Für mich ist sie sehr wichtig und wertvoll, um für alles Neue offen zu sein.

 

Richtiges Tempo

Für mich ist die Reise mit dem Fahrrad gerade im richtigen Tempo, die Seele muss noch nachkommen können, wie es so schön heißt. Ich merke es immer mehr, überhaupt wenn ich über den Ozean von einer Kultur in die andere im Flugzeug katapultiert werde. Danach muss ich zuerst einmal eine Pause machen, bis meine Seele auch angekommen ist. Ich ziehe es vor langsam den Übergang von Europa nach Asien und dort die verschiedenen Kulturen zu erleben.

Es ist aber schnell genug, dass man eine gewisse Strecke zurück legen kann. Wandern wäre mir zu langsam, außerdem müsste ich da alles tragen.

 

Sinneswahrnehmungen

Auf dem Fahrrad sieht man alles, hört man alles und riecht man alles, ob man will oder nicht. Überfahrene Tiere können ganz schön stinken. Mit viel Blech um einen herum, bleibt einem das erspart. Als ich mit einer Radfahrerin bei starkem Gegenwind unterwegs war, haben wir eine Maßeinheit für Gegenwind erfunden, in Meter. Je nachdem wie weit bevor wir an einem Kadaver vorbei gekommen waren, diesen rochen. Bei 100m war es schon starker Wind, 50m Gegenwind war besser. Wenn wir das tote Tier erst rochen, als wir dort waren, war praktisch windstille. Negative Meter-Angaben hätten Rückenwind bedeutet, was praktisch nie vorkam. So etwas bekommen motorisierte Fahrer gar nicht mit.

Auf einer langen einsamen Strecke von Northern Territory nach Western Australia hielt ein VW Bus neben mir. Der Fahrer fragte mich, wie ich das nur aushalten kann. Sie würden die Strecke hoffentlich in zwei Tage schaffen, ich brauche doch sicherlich eine Woche dafür, es ist doch stinklangweilig, nichts los. Soviel aus der Sicht des Autofahrers. Ihm entging anscheinend, dass es ein Gebiet war, wo es unzählig verschiedene Vögel gab. Immer wieder hörte man etwas im Gras nebenan rascheln oder flog ein Vogel in die Luft, große Kraniche, oder die Schwarzen Kakadus mit den roten Dreiecken auf dem Schwanz.

 

Kontakte

Ich konnte nicht behaupten, dass es für mich langweilig war. In so abgelegenen Gegenden findet man auch immer ein perfektes Plätzchen zum Zelten. Mit dem Fahrrad komme ich auch an Orte, die sonst kaum zugänglich sind.

In kleinen Orten, wo sonst kein Reisender hinkommt, bin ich gleich mitten im Geschehen, endlich mal ein Ausländer, der nicht schnell, geschützt durch eine Karosserie, durchrast, sondern im wahrsten Sinne des Wortes „zum Anfassen“. Je nachdem, wie strapaziert meine Nerven sind, was meist von Hitze und der Beschaffenheit des Weges abhängt, kann es lästig oder angenehm sein. In manchen Gegenden  Südostasiens wurde ich ständig betatscht, da man meine braunen Arme richtig widerlich fand. Da kostete es mich viel Kraft, Ruhe zu bewahren.

Meistens sind solche Begegnungen sehr willkommen, bereichern sie doch die Reise ungemein überhaupt, wenn man auch die Sprache spricht und bekommt unglaublich viel vom Land mit, nicht nur das, was man Touristen vorführen möchte.

 

Philosophisch

In den manchmal sehr langen Strecken hat man unendlich Zeit seinen Gedanken nachzuhängen. Unglaublich, was da für Erinnerungen und Ideen durch das Hirn schießen. Es ist die reinste Katharsis. Von Vorteil ist es, wenn man gut mit sich auskommt. Manchmal entdeckt man Dinge an sich, die man eigentlich gar nicht über sich wissen möchte. Also, mit sich selbst auch ein bisschen nachsichtiger sein. Meist kommen mir sehr schöne, philosophische Gedanken, weil der Kopf frei von jeglichen Alltagssorgen ist.

Und zum Schluss, Radreisen ist sehr günstig und natürlich sehr umweltfreundlich.

Ach übrigens, bevor ich es vergesse, ein Grund, warum ich Radreisen so liebe, ist, ich fahre natürlich auch gerne Fahrrad. Ich liebe die körperliche und mentale Herausforderung, zumindest meistens. Wenn nicht, mache ich halt langsamer. Es kommt ja ganz darauf an, was ich daraus mache.

Überzeugt? Was sind Deine Erfahrungen oder was hat Dich seither von Radreisen abgehalten?

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