Von Berlin nach Danzig

Von Berlin nach Danzig

Berlin und der Rest von Deutschland.

Nach stundenlanger Zugfahrt saß ich endlich vor dem Hauptbahnhof in Berlin. Es war schon Spätnachmittag, aber noch sehr warm und sonnig. Ich wollte einen Freund anrufen, bei dem ich übernachten konnte.

Plötzlich lief es brühwarm an meinem Bein herunter. Der Hund, ein großer Boxer, entledigte sich seiner Notdurft. Unglaublich. Welcome in Berlin! Schreiend sprang ich sofort auf. Den zwei schicken Frauen war es natürlich peinlich. „Er ist ja noch so jung“ – trotzdem, das ließ ich als Entschuldigung nicht gelten. Sie gaben mir nur ein Papiertaschentuch.

Eine andere junge Frau war hilfreicher. Sie reichte mir gleich ein Sagrotan–Tuch, das sie immer in der Handtasche hat. Brauche ich so etwas in Zukunft auch?

Unglaublich wie viele Radfahrer in der Stadt unterwegs waren. Ob das nur wegen der Aktionswoche so war? Es war aber auch so wunderschön.

Auf dem Weg nach Kleinmachnow kommt man durch so viel Natur, dass man kaum merkt, dass man in der Großstadt ist.

Am Abend wurde meine Ankunft und Start der Tour stilecht gefeiert

Vor der Abfahrt hatte ich wieder viel zu viel zu erledigen, konnte mich überhaupt nicht auf die Reise vorbereiten Also blieb ich gleich noch einen Tag in Kleinmachnow.

Von dort ist es ein Katzensprung nach Potsdam.

Wieder schön durch den Wald.

Wie mittlerweile in jeder größeren Stadt dürfen auch hier die Mietfahrräder nicht fehlen.

und das typische Backsteinhaus, alles schön rausgeputzt.

Später noch in den Biergarten am Wannsee. Über dem See ging die Sonne unter. Fast wie in Afrika. Der größte Unterschied sind die Kondensstreifen der unzähligen Flugzeuge im Himmel über Berlin. In Afrika wurde der Sonnenuntergang nicht mehrfach durchgestrichen.

Dann ging es los. Ich hatte nur ungefähr eine Idee der Strecke. Zuerst ganz pragmatisch: Da meine Polen–Nord Landkarte auf der Höhe von Schwedt / Oder anfing, peilte ich diese Stadt zuerst an.

Das hieß einmal quer durch Berlin. Dabei kam ich auch am Globetrotter vorbei.

Das erste Mal, dass ich überhaupt nicht das Bedürfnis hatte, hinein zu gehen. Ich hatte doch alles. Das ist wahrer Luxus: Am Globetrotter einfach vorbei zu fahren und nichts zu brauchen.

Nach 30 Kilometern war ich dann wieder in der Natur. Auf neuen Radwegen ging es nach Bernau. Am Henkershaus machte ich eine Pause.

Zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert wurden hier einige Frauen und zwei Männer wegen Hexerei gefoltert und getötet.

Nach Eberswalde kam ein Naturpark nach dem anderen. Da die Vegetation zu üppig war und es wahrscheinlich eh nicht erlaubt war, war es nix mit Wildzelten.

Auf meinem GPS suchte ich mir den nächsten Campingplatz und landete an dem wunderschönen Natur – Camping am See bei Pehlitzewerder.

Zufällig traf ich hier eine Frau, die früher auch in der Schweizer Pharma gearbeitet hat. Ewig lange unterhielten wir uns. Das hatte ich auch in den fünf Monaten wieder in Deutschland sehr vermisst: Leute treffen und interessante Unterhaltungen.

Dann noch eine Runde Schwimmen. Nach dem Fahrradfahren gab es ja nichts Besseres zu Entspannung.

Es war noch hell, als ich mich in mein Zelt verkroch.

Da die Tage so lange sind, brauche ich es morgens nicht eilig zu haben. Es wird auch nicht allzu heiß.

Auf dem Weg zur Oder kam wieder ein Naturpark an dem anderen. Diese Eulen kennzeichneten den Weg.

Vor Schwedt konnte ich noch ein Stück auf dem Oder–Radweg fahren.

Der hohe Aussichtsturm war nicht nur zur Beobachtung der Vögel geeignet.

Allzu spannend finde ich solche Radwege nicht, deswegen war ich ganz froh, als mich mein GPS wieder auf abenteuerliche Strecken führte.

 

Unglaublich wie viele Panzerplattenwege und Kopfsteinpflaster es im Osten noch gibt.

Schwedt entpuppte sich als nettes Städtchen mit den typischen Backsteinbauten.

Hier konnte ich nochmals einkaufen bevor ich über die Grenze bin.

Durch die polnischen Naturparks an die Ostsee

Unverkennbar, hier war ich in einem anderen Land. Ich verstand kein Wort. Dort bog ich auch nicht links ab, sondern rechts in den Wald. Es war zwar eine mehr oder weniger offizielle Straße, aber vollkommen ungeteert und ohne Verkehr.

Immer wieder kamen kleine Bauerndörfer. Keiner beachtete mich, welch ein Unterschied zu Afrika.

Auch wenn die Pisten teilweise wegen des Sandes kaum befahrbar waren, so war doch die Umgebung wild idyllisch.

Touristisch ist es in dieser Gegend nicht. Es gab keinen Campingplatz. Immer wieder kamen schöne Badeseen, in dem sich die Einheimischen erfrischten. Bei dem schönen Wetter war einiges los.

Erstaunlich fand ich, dass kaum jemand Englisch oder Deutsch sprach. Auch sonst machten sie nicht den Eindruck, dass sie sich freuten, mich zu sehen.

Am Abend fragte ich eine junge Familie. Ein junger Mann wurde dazu verdonnert, mit mir wenigstens ein bisschen radebrecherisch Englisch zu reden. Ein paar Kilometer später wäre ein Restaurant. Da könnte ich ja fragen, ob ich mein Zelt aufstellen könne.

Die Bedienung war die erste, die Englisch konnte. Der junge Mann hatte nichts dagegen, wenn ich hinter dem Parkplatz zelten würde. Weiter dahinter kam aber noch ein See, wo ich ein prima Plätzchen zum Wildzelten fand.

Hinter den Feldern konnte ich davon ausgehen, dass mich niemand findet.

Erst am nächsten Morgen kam ein Angler angefahren. Da war ich aber schon wieder abfahrbereit.

Am Morgen stellte ich fest, dass meine Karte auf dem GPS nicht richtig geladen werden konnte. So hatte ich an dem schönen Miedwie See gleich einen längeren Aufenthalt.

Als ich am Morgen ankam, waren all die Buden noch geschlossen und es war schön ruhig.

Zum Glück gibt es in Polen über Mobilephone fast überall sehr gutes Internet. Trotzdem hat es drei Stunden gedauert, bis ich eine funktionierende Karte auf dem GPS hatte.

In der Zwischenzeit hat sich der Strand gefüllt, die Buden waren geöffnet, es roch nach Bratwürsten und Waffeln.

Jeder lief einfach an mir vorbei. Nur ein oder zwei Personen grüßten mich. Eine ältere Frau sprach mich zuerst auf Polnisch an, kurz darauf in sehr gutem Deutsch. Wollen sie hier einfach nicht Deutsch reden?

Stargard war die erste größere Stadt und das erste Mal war Verkehr. Ich fuhr weiter und bog in eine der vielen Alleen ab.

Bei Sonne und Wind sind sie einfach herrlich. Ab und zu ging es wieder durch kleine Dörfer mit Marienkirchen und Zisterzienserklöster.

Am Abend erreichte ich den Naturpark Krajoprazowy.

Direkt am See war ein kleiner Campingplatz, eigentlich nur eine eingezäunte Wiese, auf der zwei Paare und ein Mann mit ihren Wohnwagen standen. Ein Mann sprach etwas unwillig Deutsch. Sie waren aber sehr nett und ließen mich mein Zelt aufstellen. Kurz darauf war ich im See

Ich habe die Seen nicht mehr gezählt, an denen ich vorbei gefahren bin. Teilweise waren es üble Sandpisten, wo ich schieben musste. Egal wie schlimm der Weg war, irgendwo gab es immer ein Radwegzeichen am Baum.

Woher, wohin? Keine Ahnung. Sie waren in verschiedenen Farben.

Da mehrere offizielle Campingplätze kamen, wollte ich früher Schluss machen. Damit hätte ich aber rechnen können, sonntags und bei so einem schönen Wetter waren die Plätze am See hoffnungslos überfüllt.

Radwege brachten mich schnell weiter. Eigentlich wären wieder viele Plätze zum Wildzelten gewesen, aber es sah nach Regen aus, da wollte ich nicht mitten im Wald sein.

Auf einer alten Bahntrasse flog ich mit Rückenwind nur so dahin. Ich hatte zwar keine Ahnung wohin sie ging, aber es war so ungefähr meine Richtung und es machte Spaß.

Genau so plötzlich wie sie da war, war sie auch wieder zu Ende. Ich war dann in Pobczyn Zdroi. Kein Ort, wo ich bleiben wollte. Durch den Wald gelangte ich gerade mit den ersten Tropfen in das nächste Dorf und stellte mich an einer Bushaltestelle unter.

Als es auch noch anfing zu stürmen und gewittern, beschloss ich unter diesem Dach mein Zelt aufzustellen.

Gegenüber wohnte ein altes Paar, das von seinem Hund auf mich aufmerksam gemacht wurde. Ich winkte ihnen zu, sie ließen mich aber – wie alle – in Ruhe.

Erst am nächsten Morgen kam die alte Frau herüber. Sie war ganz nett, bot mir Wasser an. Natürlich sprach auch sie nur Polnisch. An den Gesten konnte ich sofort verstehen, was sie mich fragte. Es ist auf der ganzen Welt das gleiche: ob ich alleine sei und ob ich keine Angst hätte.

Der Regen hörte zum Glück am Morgen auf. Trotzdem blieb ich bis Koszalin auf der kleinen geteerten Straße, wo ich auf den Radweg R10, den Baltic–Sea–Radweg traf und folgte ihm soweit es ging.

 

Dabki liegt sehr schön zwischen See und Meer, entpuppte sich aber als eines der Touristendörfer, wie sie im weiteren Verlauf noch oft kommen sollten. Die Straße war gesäumt mit Eis-, Waffeln, Pommes-, Hot Dog- und Souvenirständen.

Aber es gab auch den Radweg

fantastisch ausgestattet.

 

es war auch einiges los.

In Darlowo fand ich am Fluss einen netten Campingplatz, gefüllt mit deutschen Wohnmobilen.

Für mich gab es endlich eine Dusche und mein erstes Bier in Polen.

Dann endlich der erste Blick auf die Ostsee.

Ansonsten gab es in Darlowko das Gleiche wie in Dabki.

Bald kam das erste Zeichen, dass der Radweg später gesperrt sei. Davon ließ ich mich zuerst nicht beeindrucken und fuhr auf den Panzerplatten weiter. Dann kam tatsächlich eine Umleitung.

Dazu hatte ich keine Lust. Ein einheimischer Fahrradfahrer kam gerade aus der gesperrten Richtung. Mit Handzeichen fragte ich, ob ich durchkomme. Ja, ja und zeigte in die gesperrte Richtung.

Es war dann wunderschön. Nur zweimal musste ich kurz durch den Sand schieben.

Vor dem nächsten Ort wurde der komplette Weg neu gemacht. Dafür war aber schon ein kleiner Weg durch den Wald angelegt.

Wunderbar.

Vor Ustka ging es auf einer unbefahrenen Straße weiter. Trotzdem gab es einen breiten, rot gekennzeichneten Weg für Radfahrer

Diese historische Hafentadt,

 

auf Deutsch Stolpmünde, hat sich nach all den Schicksalsschlägen zu einem netten Ferienort entwickelt. Viel Fachwerk bestimmt die Stadt.

Zuerst konnte ich, sehr gut ersichtlich, dem R10 Radweg folgen.

Dann verlor ich aber die Spur und gelangte, vielleicht glücklicherweise, auf geteerter Straße, die in Ortschaften meist zu Kopfsteinpflaster wird.

Bei einer Pause entdeckte ich, dass in zirka 20 Kilometern noch ein Campingplatz kommen sollte. Ich war zwar schon weit gefahren, aber der Ehrgeiz packte mich. Ich wollte den Ort erreichen.

Es waren dann das erste Mal über 100 Kilometer, fast 110. Ich war zwar ganz schön kaputt, aber glücklich es geschafft zu haben. Irgendwie brauche ich solche Herausforderungen ab und zu, obwohl ich weiß, dass es mir eigentlich nicht gut tut.

Es war ein netter leerer, ruhiger Platz und die heiße Dusche tat richtig gut.

Ganz erholt war ich aber am nächsten Morgen noch nicht. Dazu kamen dann lange Schiebepassagen durch Sand.

Teilweise waren schöne Plattformen zur Vogelbeobachtung angelegt.

Aber auf dem Weg blieb ich im Sand stecken.

Die Wanderdünen konnte ich zum Glück aus der Ferne genießen.

 

In Leba kaufte ich zuerst einmal zwei Dosen Cola und eine Tafel Schokolade. Beides vertilgte ich sofort. Dann fragte ich in der Touristeninformation, ob der weitere Verlauf des R10 Radweges genauso sandig wäre. Ja, leider sehr sandig. Aber die Straße sei geteert.

Und was mache ich? Ich bleibe auf dem Radweg.

 

Irgendwie muss ich schon masochistisch veranlagt sein. Erst später wich ich auf die Straße aus. Als ich in Osetnik an einem Campingplatz vorbeikam, zögerte ich nicht lange. Mir reichte es, ich war fix und fertig. Es war zwar erst früher Nachmittag, aber was soll´s.

Zeltaufbau, duschen, ich war total dreckig, aber dann zuerst mal schlafen.

Zum Glück ist jeder Tag anders. Nach Osetnik ging es auch durch den Wald, allerdings war der Weg fantastisch.

 

Zur Abwechslung war hier die R10 auch gut ausgeschildert. Mitten im Wald kam mir ein deutsches Radlerpaar entgegen. Sie sind in Tallin gestartet.

Heute sollte mir der Sand erspart bleiben.

Es lief dann auch sehr gut. Nur war dann der Radweg nicht mehr so gut ausgeschildert, was nicht viel ausmachte. Mir scheint, in Polen ist jeder Waldweg Radweg. Überall sind Fahrräder an die Bäume gepinselt,

In Jastrzebia Gora machte ich am Strand eine Pause. Das erste Mal, dass eine alte Frau kam und fragte, ob sie sich zu mir setzen dürfe. Sie sprach erstaunlich gut Englisch. Endlich jemand, den ich fragen konnte, wie die Polen zu den Deutschen stehen. Heute mögen sie die Deutschen schon, aber da sie den zweiten Weltkrieg und die deutsche Besatzung mitgemacht haben, sind natürlich noch Bedenken da.

Polen ist das erste europäische Land, in dem ich keine Schwarzen oder Farbigen gesehen habe. Sie lacht nur und meint, das kommt nur von ihrer Regierung. Sie lassen keine rein. Eigentlich ist sie nicht für die Regierung, aber da stimmt sie zu. Sie möchte nicht, dass sie nach Polen kommen. Was Deutschland macht, findet sie nicht gut und wird dem Land auch nicht gut tun.

Vielleicht konnte ich ihr negatives Urteil ein bisschen dämpfen. Es ist immer sehr wirkungsvoll, wenn ich von meiner Afrikareise erzähle – meine positiven Erfahrungen.

Da die Hel–Peninsula sehr schön sein soll, bin ich auch dort lang gefahren.

Es geht wirklich von Anfang bis Ende ein Radweg durch.

 

Teilweise sehr schön direkt an der Bucht. Es ist auch ein Surferparadies. Am Anfang kommt ein Campingplatz nach dem anderen. Ich fand einen ruhigen in der Mitte und machte mich am nächsten Tag ans Ende der Halbinsel nach Hel auf. Das ist auch so ein schicksalsträchtiger Ort mit vielen Militärdenkmälern und Museen.

 

Eigentlich dachte ich, dass eine Fähre direkt nach Danzig geht. Das ist anscheinend nicht jeden Tag so. Es ging nur eine nach Gdynia, ungefähr 20 Kilometer nördlich von Danzig. Also für mich auf dem Fahrrad kein großer Unterschied.

Die Stadt ist heute ein beliebtes Ferienziel mit schönem Strand.

 

Nach einer Stunde konnte ich auf die Fähre,

 

und landete in einem ganz anderen Polen. Gdynia ist eine Großstadt mit vielen neuen Glas-Stahl-Bauten. Sehr modern. Und natürlich auch hier Fahrradwege.

Zuerst ging es durch den Wald, dann an dem alten Ostseebad Sopot vorbei.

Unglaublich, was man dort zu sehen bekommt.

 

Weiter auf Radwegen ging es direkt nach Danzig. Es sollen 600 Kilometer Radwege in dieser Stadt geben. Das glaube ich sofort! Und sie werden auch sehr viel genutzt.

 

Ohne Probleme kam ich so in die Innenstadt, an den schönen neuen/alten Backsteinhäusern vorbei, auf meinen Campingplatz am Stogi Strand, südlich von Danzig.

 

Keine Frage, hier bleibe ich natürlich ein Weilchen.

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