Estland: Die Südküste und Saaremaa


Estland – Die Südküste und Saaremaa

Dank der alten Straße nach Pärnu kam ich schön ruhig über die Grenze. Gleich von Anfang an war die „EuroVelo 10“ Fahrradroute sehr gut ausgezeichnet.

Und überall die schönen bunten Häuser.

Ein paar Kilometer hinter der Grenze meinte ich ein paar Zelte im Wald stehen zu sehen. Dahinter war gleich das Meer. Das muss ein langer Campingplatz sein, dachte ich.

Es war nicht einer, sondern drei Campingplätze. Bei der zweiten Einfahrt erkundigte ich mich. Ich konnte hier sogar gratis übernachten. Es war mir noch zu früh und ich sah, dass etwas weiter nochmals so ein Campingplatz kommt. Dort gab es dann ein richtiges Informationszentrum. Es sind RMK Campingplätze, sehr einfach ausgestattete Plätze vom staatlichen Wald Organisation. Ich nahm gleich sämtliche Landkarten mit, wo all diese Campingplätze eingezeichnet waren, bekam einen Tee und sogar duschen hätte ich hier können.

Es war ein wunderbarer Platz. Schön ruhig, Autos dürfen hier nicht hinein. Außerdem gab es überdachte Tische und Bänke und Feuerstellen mit Brennholz. Und natürlich eine Toilette. Zwar handelte es sich hierbei um ein Plumpsklo, aber alles sehr neu und sauber.

So fing Estland schon mal ganz fantastisch an und ging genauso fantastisch weiter.

Ich bin jetzt übrigens im Elchland. Ich wage aber zu bezweifeln, dass ich jemals so ein Tier sehen werde.

Weiterhin war der EuroVelo 10 sehr gut ausgeschildert. Trotzdem musste ich für zirka 20 Kilometer auf die Hauptstraße, was samstagvormittags noch nicht so schlimm war.

Dann die nächste Überraschung.

Ein genial neuer Radweg durch den Wald.

So kam ich ohne Probleme nach Pärnu, einer größeren Stadt

Hier mischt sich mal wieder alles. Neben modernen großen Gebäuden findet man noch kleine nette alte Häuschen dazwischen.

Hinter Pärnu laufen EuroVelo 10 (Ostseeradweg) und er EuroVelo 13 (Eiserne Vorhang Radweg) auf der gleichen Strecke.

Estland ist sooo eben und hat so viel Wald. Damit man über die Bäume in die Weite schauen kann, gibt es immer wieder Türme

Vielleicht, wenn ich geduldig genug wäre, könnte ich da auch einen Elch entdecken.

Der nächste RMK Camping war mehr als hundert Kilometer entfernt, was bei der Ebene kein Problem war. Mein GPS zeigte mir mal wieder den Weg. Nur war ich nicht ganz davon überzeugt, dass noch was kommen würde. Es war überhaupt nichts ausgeschildert.

Auf dem Weg zum Meer versetzte mich zuerst ein riesiges Zeltlager in Angst und Schrecken. Zwei nette Jugendliche klärten mich im perfekten Englisch auf. Es war das Jahrestreffen der estnischen Jäger. Wenn ich zu dem RMK Camping möchte, könnte ich gerade durch fahren. Nachdem ich mich versichert hatte, dass sie keine Nachtjagd machten, fuhr ich weiter.

Welch ein Traum.

Nur ein Paar zeltete etwas entfernt an diesem wunderschönen Ort direkt am Meer.

Ich konnte mein Zelt im Windschatten bei so einer Bank-Tisch-Dach Kombination aufstellen. Von den Jägern, obwohl nur ein paar hundert Meter entfernt, hörte ich nichts.

Es war das erste Mal, dass ich so etwas wie einen Sonnenuntergang sah.

Schweren Herzens machte ich mich am nächsten Tag wieder auf den Weg. Hätte ich genug Wasser gehabt, ich wäre glatt noch geblieben.

Obwohl auch auf der Straße nichts los war, ging der Fahrradweg wunderbar durch den Wald. Hier hatten sie nicht kurz vorher Schotter gestreut, es war prima zu fahren. Nur eine Radfahrerin kam mir entgegen.

Vor Virtsu, wo die Fähre nach Saaremaa abfährt, brauchte ich überhaupt nicht mehr auf die Straße, sondern konnte wunderbar auf Deichen in die Stadt.

Nur ein paar Sonntagsausflügler kamen mir entgegen.

In Virtsu war natürlich mehr los. Die Stadt besteht hauptsächlich aus Hafen, einem Supermarkt und einer Tankstelle.

Mir gefällt ja Estland schon ausgesprochen gut. Aber einen Punkt habe ich doch zu bemängeln: Man findet kaum mehr Tankstellen, an denen man bar bezahlen kann. Estland ist mittlerweile eines der digitalisiertesten Länder. Tanken kann man fast nur noch mit Scheckkarte und wie ich mir sagen ließ, sehr schnell und einfach, nicht wie in Deutschland.

Auch wenn ich Fahrrad fahre, brauche ich für meinen Benzinkocher Benzin. Ein halber Liter reicht mir eine Woche. Damit komme ich etwa 500 Kilometer weit.

Ich bezahlte grundsätzlich nie mit Kreditkarte und schon gar nicht einen halben Liter Benzin (etwa 60 Cents). Also kein Benzin, ich habe zum Glück noch etwas.

Aber im Supermarkt deckte ich mich mit dem Nötigsten ein. Wer weiß, was ich auf Saaremaa alles bekomme.

Kurz darauf war ich auf der Fähre. Hier erfreute ich mich der positiven Seite des digitalisierten Estlands: fantastisches freies WiFi und Steckdosen! Endlich wieder alle Geräte aufladen und etwas bloggen. Da gehen die 30 Minuten sehr schnell vorbei.

Die Fähre geht nicht direkt nach Saaremaa, sondern auf eine kleine Insel davor, nach Muhu. Der EuroVelo 10 nimmt auch die Fähre, fährt dann aber auf der kleinen Insel einen großen Bogen. Den ersparte ich mir. Am Sonntag war auch auf der „Hauptstraße“ nicht viel los. Die Autos kamen immer in Schüben, wie die Fähre. Nach halber Strecke kam auch hier ein wunderbarer Fahrradweg.

Etwas abenteuerlicher ging es auf einem Deich Richtung Saaremaa zu. Der Fahrradweg war praktisch auf dem Seitenstreifen der Gegenrichtung. Dazu noch der Wind…. Aber es waren ja nur etwa drei Kilometer.

Auch auf Saarema hielt ich mich nicht an den EuroVelo 10, sondern fuhr gleich in Richtung Kuressare. Im Süden der Insel gab es keine RMK Zeltplätze. Ich schlug mich einfach so in die Büsche.

In Estland gibt es in fast jedem Dorf noch einen Dorfladen.

Vor allem Alkohol ist hier sehr gefragt.

Kuressare ist die Hauptstadt der Insel. Sehr nett, nicht ganz so viele Touristen.

Sie wurde auch neu hergerichtet. Hier gönnte ich mir mal wieder einen Campingplatz. Ab und zu brauche auch ich eine richtige Dusche und meine Kleider eine Wäsche.

Das Prunkstück der Stadt ist die Arensburg

wunderbar gelegen. Gleich dahinter ist das Meer.

Als ich am nächsten Tag die Stadt verließ kam mir wieder eine Horde „Baltic Bikers“ entgegen. Diesmal waren es sicherlich 40 Radfahrer. Es war noch ein schön angelegter Radweg. Ich glaube, sie haben die EuroVelo 10 umgelegt, damit jetzt alles schön einfach zu fahren ist. Auf der Karte auf meinem GPS verlief die EuroVelo 10 noch etwas anders. So hatte ich einige Kilometer Schotterpiste, dafür schön ruhig im Wald.

Diese schmucken netten Bushaltestellen boten mir immer wieder Gelegenheit für eine Pause

Auch wenn Estland sehr fortschrittlich ist, die Windmühlen sehen noch sehr aktiv aus.

Außerdem fand ich selten gutes Trinkwasser. Die Leute weigerten sich, mir welches zu geben, weil sie selbst kein gutes haben. Es kommt meist aus Ziehbrunnen. Wenn der nicht tief genug ist, ist das Wasser nicht gut.

Später sagte man mir, ich könne ja Wasser im Internet bestellen, es würde mir dann überall hingeliefert werden. Fragt sich nur, wie lange das dauert und wie viel dann ein Liter kostet.

Am Abend war wieder einer der kleinen RMK Campingplätze angesagt

Der Käkisilma Camping ganz im Nordwesten der Insel. Er ist auf einer Landzunge, von wo ein Wanderweg durch das Wasser auf die nächsten Inseln geht.

Eigentlich interessant, aber für mich war es zu spät und zu kalt. Der Platz selbst war nicht so toll, eher ein Parkplatz für Wanderer.

Deswegen ging es auch hier gleich am nächsten Tag wieder weiter. Das Beste an dem Platz war wieder der Weg dorthin, durch dichten Wald auf einem schmalen Weg.

Nach 12 Kilometern kam endlich so etwas wie ein Ort mit einem Laden und einem Friedhof. Eigentlich kann ich mir in christlichen Ländern auch auf Friedhöfen Wasser besorgen, hier nicht. Auch hier kommt das Wasser aus Ziehbrunnen. Ein Mann meinte mal wieder, es sei viel zu schlecht.

Gegenüber war die Feuerwehr. „Die müssten doch auch Wasser haben!“ meinte ich eigentlich nur zum Spaß. Aber Esten sind nun mal nett und hilfsbereit. Er lachte, nahm meine Flaschen und marschierte zur Feuerwehr. Hier wurden meine sämtlichen Flaschen mit bestem Leitungswasser gefüllt.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht die paar Cents für Wasser ausgeben möchte. Ich versuche nur, die Plastikflaschen soweit wie möglich zu vermeiden, überhaupt seit Afrika.

Weiter ging es auf bester neu geteerter Straße. Eine Frau lag im Straßengraben. Ich schaute, drehte um, sah, sie fotografierte eine Blume. Aha! Sofort kam sie auf mich zu, erklärte, hier auf Saaremaa gibt es einige Orchideen, die nur hier wachsen. Jetzt lag auch ich im Straßengraben.

An so etwas fahre ich normalerweise achtlos vorbei. Spätestens am Duft erkannte ich, dass es etwas Spezielles war.

Diesmal fuhr ich die ganze Schlaufe des EuroVelo 10 aus. Es war zu schön, direkt an der Küste entlang.

Auch hier gab es ein paar RMKs. Diese waren mir aber zu dicht an der Straße und total überfüllt.

Auf einmal sah ich ein Schild, dass hier Senf verkauft wird. Mein Interesse an Senf hielt sich in Grenzen, aber es sah so nett aus, dass ich dachte, hier könnte ich vielleicht auch nach Wasser fragen.

Und so landete ich bei „Mustjala Mustard“

Der Besitzer ist deutsch, hat sich vor neun Jahren hier niedergelassen, sehr nett. Ich erfuhr nicht nur viel über Senf, sondern ich bekam auch meine Wasserflaschen mit Wasser aus seinem Brunnen, der 20 Meter tief ist, gefüllt.

Dann war es nicht mehr weit bis zu meinem Traumplatz. Hier müssen die Autos ungefähr 500 Meter entfernt parken. Auf einem Holzweg ging es über die Dünen zum Strand. Vor der letzten Düne konnte ich zelten. Ein Traum.

Es war noch ein älteres und ein jüngeres Paar aus Tallinn da. Ihr Englisch war perfekt, so dass wir uns den ganzen Abend sehr gut unterhalten konnten. Und ich endlich mal so lange aufblieb, dass ich den Sonnenuntergang sah.

Beide Paare zogen am nächsten Tag weiter. Sie ließen mir aber all ihr Wasser da, so dass ich noch einen sehr erholsamen Tag an diesem wundervollen Platz verbringen konnte.

Das war der erste Tag, an dem mein Fahrrad nicht einen Meter bewegt wurde.

Ein Tag Strand reichte mir aber auch. Deswegen habe ich auch leichten Herzens diesen wunderbaren Platz wieder verlassen und bin die restlichen 18 Kilometer bis zum Hafen mit der Fähre nach Hiiumaa gefahren. Dass ich noch eineinhalb Stunden warten musste machte mir überhaupt nichts aus. Es gab ein nettes Wartehäuschen mit Steckdosen und Wasser. Sogar Duschen hätte ich können.

So, und wie es auf der anderen Insel und im Rest von Estland weiterging, erfahrt Ihr das nächste Mal.


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2 Gedanken zu “Estland: Die Südküste und Saaremaa

  • Elke

    Wunderschöner Bericht, der einem gleich Lust macht, in Estland zu Radeln! Danke Dorothee! Auch Deine Fotos sind wieder grossartig! Weiterhin alles Gute und Grüsse aus der Bretagne!