Danzig und Masuren

Von Danzig durch Masuren

Leider war es Wochenende, als ich nach Danzig kam. Dazu war noch schönstes Wetter. In der Stadt, am Strand und auch auf den Radwegen waren unglaublich viele Leute. Das vertrage ich selten.

Darum war es am Sonntagmorgen wieder eine schwere Entscheidung: bleiben oder weiterfahren?

Schlussendlich blieb ich – zum Glück. Von all den Museen und Sehenswürdigkeiten wollte ich mir das Solidarnosc Museum anschauen. Es befindet sich am Dock, wo die ersten Streiks stattfanden und unter Lech Wałęsa das Ende des Kommunismus in Europa eingeläutet wurde.

Zuerst nochmals durch die Stadt.

 

Dazu muss ich wohl nicht mehr viel sagen, einfach nett und überall wird Bernstein verkauft.

Das typische Riesenrad darf auch hier nicht fehlen.

Auf eine ganz andere Art faszinierend ist das Museum, in dem das Solidarnosc Museum untergebracht ist.

Es wurde in Anlehnung an die Docks im gleichen Material wie die Schiffe gebaut.

Hier starteten 1970 die ersten Streiks. Wäre ich nur schon früher so viel gereist, ich wäre im Geschichtsunterricht viel besser gewesen und es hätte mich wesentlich mehr interessiert.

Der ganze Verlauf von den ersten Streiks bis zur Gewerkschaftsgründung Solidarnosc und den freien Wahlen 1989 wurde mir mit vielen Filmen und Plakaten alles sehr gut veranschaulicht.

Polen wurde im letzten Jahrhundert von beiden Nachbarn ganz schön gebeutelt.

Vom Dach des Museums hat man einen Blick über den Ort des Geschehens.

Eigentlich wollte ich nur kurz vorbeischauen, nach zweieinhalb Stunden kehrte ich wieder um.

Im Museum war es wahrscheinlich am Ruhigsten in ganz Danzig.

Am Strand gleich hinter dem Zeltplatz war noch die Hölle los.

Die einen gingen, die anderen kamen erst. Wenigstens mit den Füßen wollte ich kurz in die Ostsee.

Dann wieder in die Oase der Ruhe auf dem Zeltplatz.

Am nächsten Tag hielt mich nichts mehr, ich fuhr weiter. Wieder ging es hauptsächlich auf Fahrradwegen. Überhaupt nach der Fähre bei Swibno.

Auf bestem Weg schön durch den Wald,

bis zum ehemaligen Konzentrationslager Stutthof.

Auch daran wollte ich nicht einfach vorbeifahren, da ich noch nie eines besucht hatte. Dass es ein relativ kleines war, war mir gerade recht.

Danach fragte ich mich: Und was haben wir daraus gelernt? Und das ist das Schlimmste: nämlich nichts. Das sah ich nicht nur an den „killing fields“ in Kambodscha, oder im Genozid Museum in Ruanda. Wenn die Menschheit nicht endlich anfängt, selbst nachzudenken, sondern mit der Menge mitrennt, einem Alpha–Tier folgt, manipulierbar ist, werden solche Dinge immer wieder geschehen.

Danach folgten noch viele Kilometer auf dem Fahrrad, auf denen ich einiges verarbeiten konnte.

Das Gebiet war mit Flüssen durchzogen, In Schlangenlinien musste ich mich von Brücke zu Brücke schlängeln.

Zum Wildzelten war dieses Feuchtgebiet auch nicht geeignet. Erst in Elblag fand ich schließlich einen schönen Campingplatz direkt am Kanal.

Nach Elblag fängt der „Green Velo“ Radweg an.

Eine gute Alternative, wenn man nicht den R10 (Ostseeradweg) durch Kaliningrad/Russland (wegen Visum) fahren möchte. Er geht halb um Polen herum.

Nach Elblag führt es direkt an der Bucht entlang nach Norden.

Es sind zwar Panzerplatten, aber sie sind sehr gut zu fahren.

Der zweite Teil, ab Tolmicko, war nicht mehr ganz so einfach. Steil ging es auf Schotterpisten im Wald auf und ab. Ein paar Autofahrer waren unterwegs, um Holz aus dem Wald zu holen.

Mitten im Wald war der erste Rastplatz

mit Klohäuschen und brauchbaren Fahrradständern. Gut ausgeschildert konnte ich nicht nur dem „Green Velo“ folgen. Hier scheinen wieder ein paar Radwege aufeinander zu treffen.

Ab Frauenburg ( Frombork )

bleibe ich auf der Straße, die auch irgendeine Fahrradroute war. Ohne Autos und bei weitem nicht so schlangenlinienmäßig wie der „Green Velo“. So kam ich doch etwas schneller voran und es war auch sehr schön.

Hier wurde es direkt hügelig und es gab hauptsächlich Ackerbau, dessen Untergrund nicht sehr geeignet zum Wildzelten war. In Pieniezno (Mehlsack) fand ich überraschend einen kleinen, ruhigen, privaten Campingplatz. Fantastisch!

Das war der Anfang der Masurischen Seenplatte.

Von den Seen sah ich vorerst noch nicht sehr viel. Dafür gab es noch zu viel Wald und noch viel Farmland. Aus Bequemlichkeit und da sie hier auch sehr günstig sind, peilte ich wieder einen Campingplatz an. Nur heute gab es ihn nicht mehr, Mittlerweile stehen in Kętrzyn an dieser Stelle Wohnblocks. Also ging es weiter.

Als das Plakat vom Campingplatz an der Wolfsschanze kam, dachte ich, das ist nun wirklich kein Platz, wo ich zelten möchte. Hitler und Konsorten haben sich die Dichte des Waldes hier zunutze gemacht und ihre Bunker aufgestellt. Von 1941 bis 1944 war es das Hauptquartier des Führers. Heute kann man die Überreste anschauen. Für mich mal wieder eine extra Stunde Geschichtsunterricht.

Schlussendlich bin ich doch dort gelandet und eigentlich war es ganz nett, denn um die Bunker herum ist nun ein einmaliges Biotop.

Dass ich dort zeltete hatte den genialen Vorteil, dass ich gleich um 8 Uhr in das Gebiet von den Bunkern und alles vor den Busladungen und im schönen Morgenlicht anschauen konnte.

Das Buch ist ein Denkmal vom Attentat von Graf von Stauffenberg, das genau an diesem Ort stattfand.

Da es im Januar 1945 beim Verlassen weitgehend zerstört wurde, kann man heute hauptsächlich nur Ruinen anschauen.

Alles schon mit Pflanzen überwuchert

Hitlers Bunker hatte die Nr 13

und ist genauso gespalten wie Deutschland kurz darauf.

Leider war es überall verboten, in die Bunker zu gehen.

In den ein oder anderen konnte ich trotzdem kurz hinein.

Unglaublich wie kalt es hinter diesen meterdicken Mauern war.

Heute ist dem Ort nicht mehr anzusehen, was für eine wichtige Rolle er zwischen 1941 und 1944 spielte.

Ich fuhr durch den Wald weiter nach Gizycko,

Hier sah ich wenigstens von der Seenplatte ein paar Tümpel im Wald.

Gleich am Anfang von Gizycko kam ich an einem anderen, früheren Landmark der deutschen Befestigungsanlage vorbei.

Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt die Festung Boyen. Heute führt ganz friedlich ein Radweg darum herum.

Eine andere Attraktion hat mir den Weg versperrt,

die Drehbrücke am Luczinskikanal. Zwischen 12 und 13 Uhr ist sie offen. Ich kam um 12:15 Uhr an. Zum Glück gibt es nicht weit entfernt Brücken.

Hatte ich mal wieder Glück. Am Abend hatte ich etwas außerhalb der Stadt meinen ersten „Warmshower“ Gastgeber, Stan. Wenn ich eigentlich nur eine Nacht bleiben möchte, biete ich meistens an, mein Zelt aufzustellen, sofern genügend Platz ist. Mein Glück, dass sie mir gerne das Zimmer anboten, die erste Nacht im Haus und im Bett.

Die dunklen Wolken am Himmel hatte ich schon länger beobachtet. Außerdem ging ein furchtbar kalter, starker Wind. Aber es geht ja alles noch dunkler, stärker, kälter. Der Wind wurde regelrecht zum Sturm, es wurde das erste Mal fast Nacht und schüttete in Strömen.

Ich hatte gerade ein paar Minuten meine Wäsche in der Waschmaschine – Stromausfall. Ich hatte nicht den Eindruck, ich könne sie heute noch aufhängen. Irgendwann verzog ich mich, glücklich über das feste Dach über dem Kopf, ins Bett.

Am nächsten Tag war teilweise Strom da, aber nur teilweise. Es dauerte noch ein Weilchen, bis die Waschmaschine gewillt war, meine Wäsche weiter zu waschen.

Ich ahnte, mit Weiterfahren würde es heute wohl nichts mehr werden, freute mich auf einen schönen Ruhetag. Es wurde sogar der erste Tag, an dem mein Fahrrad keinen Meter bewegt wurde.

Stan ist Imker, hatte schon einige Gläser von seinem fantastischen Honig in seinem Schuppen. Nur, die mussten ja noch etikettiert werden.

So konnte ich mich dann behilflich zeigen, etikettierte 140 Gläser. Für mich sind solche Tätigkeiten nette Abwechslungen.

Ansonsten genoss ich die Ruhe auf Stan`s idyllischen Bauernhof.

Mit wohlriechender Kleidung konnte ich weiter, über Feldwege und kleine Dorfstraßen, nach Norden.

In Banie Mazurskie traf ich wieder auf den „Green Velo“, der hier wieder auf schön befestigten Wegen mehr oder weniger gerade verläuft.

So kam ich auch wieder in den Genuss der schönen Rastplätze.

Kurz vor Goldap kam ich tatsächlich an einem Skigebiet vorbei

Möge noch einer behaupten, es sei alles flach hier oben.

Am See von Goldap verbrachte ich meine letzte Nacht in Polen.

Es gab zwar einen Campingplatz, der wurde aber gerade renoviert. Für fast nichts konnte ich dort zelten.

Leider hielt die Idylle nicht lange an. Ich war schon im Zelt, da kam die Dorfjugend und machte ordentlich Party. Einiges an Alkohol muss auch im Spiel gewesen sein. Es war ein Gegröle bis in die frühen Morgenstunden. Dank meiner Ohrstöpsel fand ich ein paar Stunden Schlaf, bevor die Vögel um 5 Uhr morgens weiter machten.

Als ich aus dem Zelt kroch, sah ich die Bescherung. Das Klohäuschen war umgekippt, Scherben und Flaschen lagen herum, Holzpaletten, die sie nicht verbrennen konnten. Da wird sich jemand gefreut haben, als er später kam.

Ich frühstückte und machte mich auf die letzte Etappe in Polen.

Hier ist das Dreieck Polen / Russland (Kaliningrad) / Litauen.

Russland ist eingezäunt. Da kommt keiner raus und nicht hinein. Die Grenze Polen-Litauen ist offen. Da alles EU ist und es sowieso keine Kontrolle gab, bog ich gleich daneben in einen Wald- Schotterweg nach Litauen ab.

Ich hätte nicht gedacht, dass Polen sich so sehr zum Fahrradland entwickelt hat. Das Land war eine äußerst angenehme Überraschung.

Das nächste Mal berichte ich dann, wie es in Litauen weiter ging.

2 Gedanken zu „Danzig und Masuren“

  1. Danke Dorothee. Super intéressante Informationen und tolle Fotos. Ich lese Deine Reiseberichte immer sehr gern! Mach’s gut.
    Wir bieten gern auch Radlern/innen im Elsass ‚warm shower‘ an (Deutsch, English, French)! Vg Elke

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