Sudan

Ein bisschen Schummeln in Sudan

oder: Wo sind nur die Frauen hin?

Äthiopien und die Steine werfenden Kinder und Mopedfahrer hatte ich nun hinter mir. Was erwartete mich nun im Sudan? Es ist das erste arabisch-moslemische Land. Die Scharia wurde 1983 wieder eingeführt. Wie ist es als Frau allein hier Rad zu fahren und das noch in Hosen?

Da ich nur ein 15-Tages-Visum bekommen hatte, war ich früh morgens an der Grenze zum Sudan. Es war das erste Mal, dass die Grenze morgens noch geschlossen war. Auf äthiopischer Seite meinten sie, um 1 Uhr machen sie auf. Ich erwiderte: „Also um 7 Uhr“.

Bis die Grenzen geöffnet wurden, hatten sich sehr viele Leute auf äthiopischer Seite versammelt. Alle strömten in den Sudan. Keiner wollte nach Äthiopien.

Der äthiopische Teil war schnell erledigt. Auf der Immigration in den Sudan dauerte es ewig.

Zuerst hieß es, ich müsse warten, bis der Strom da ist. Dann meinten sie, ich müsse noch 570 sudanesische Pfund zahlen. Das sind offiziell umgerechnet 66 Euro. Warum? Noch nie musste ich an der Grenze extra zahlen, wenn ich das Visum schon hatte. Aber hier kam ich nicht darum herum. Für mein 15-Tages-Visum habe ich schon 64 US Dollar gezahlt. Das macht zusammen ungefähr 118 Euro, das sind 7,80 Euro alleine dafür, dass ich in dem Land sein darf. Damit war Sudan für mich das weitaus teuerste Land. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, was die Regierung mit dem Geld macht.

Allerdings muss ich dazu sagen, nach meinem Schwarzmarktkurs waren 570 sudanesische Pfund nur 27 US Dollar.

Keiner der Beamten sprach Englisch. Freundlich waren sie nicht direkt. Mir stand ein junger, kleiner Äthiopier zu Seite, der neben Amharisch, der Sprache in Äthiopien, auch Arabisch und Englisch sprach. Bei der Immigration wurde er akzeptiert. Als ich allerdings noch zum Zoll musste, wurde er regelrecht hinaus geprügelt. Auch mein Einschreiten half nichts. Welcome in Sudan.

Erstaunlich schnell ging der Kauf einer SIM-Karte und sie funktionierte sogar sofort.

Jetzt aber nichts wie weg hier. Nicht einmal etwas zu trinken kaufte ich mir. Nur ein paar Kilometer weiter kam noch ein Dorf.

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Wie man sieh, änderte sich nicht nur die, sondern auch das Volumen. 🙂

Seit Kenia rechnete ich mit Gegenwind, wie mir prophezeit wurde. Und da ich im Osten nach Süden so fantastischen Rückenwind hatte, konnte ich es mir gut vorstellen. Aber nicht einmal hier am Anfang vom Sudan kam der Wind von Norden. Es lief erstaunlich gut. In Äthiopien war es bis zur Grenze bergig. Nach der Grenze topfeben, schon fast langweilig. Und es wurde heiß. Hier im Süden vom Sudan (nicht „Südsudan“) ist noch keine Wüste, hier wächst noch einiges, zum Beispiel Sesam.

Als ich später an einem Platz, wo ich Tee bekam, Pause machte, bekam ich diesen spendiert. Ein Mann kam und stellte mir eine Flasche Apfelschorle hin, auch ein Geschenk. Vielen Dank, das verbesserte natürlich meinen ersten Eindruck von dem Land ungemein.

In den 569 Pfund, die ich an der Grenze zahlen musste, müssen mindestens fünf Gratisübernachtungen an Polizeistationen beinhaltet sein, dachte ich mir. Gleich am Abend fand ich eine Polizeistation an einer Abzweigung. Kein Problem, ich konnte hier zelten. Welch Freude! Vorbei die Zeiten der Guesthouses, Hotels und Pensionen.

Je weiter es in den Norden ging, desto wüstenartiger wurde das Gebiet, desto heißer und desto ruhiger. Es kam kaum mehr etwas, wo ich im Schatten hätte Pause machen können.

Ich traf zwei Holländerinnen, Joyce und Lynn, die auf dem Weg in den Süden waren. Sie waren sich noch nicht sicher, ob sie durch Äthiopien fahren sollten.

Jetzt kann ich mir es richtig vorstellen, was für ein Schock es sein muss, wenn man vom Sudan, von dieser Ruhe, kaum Kinder, überhaupt kaum Bevölkerung, nach Äthiopien kommt. Kinder und Berge, da hat man natürlich seinen Spaß.

Die Wegweiser, auch wenn sie zweisprachig waren, waren keine große Hilfe.

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Es gab aber hauptsächlich nur eine Straße, der ich nach Karthoum folgen wollte. Bei den 15 Tagen konnte ich keine großen Extratouren machen.

Nach 250 Kilometern Ebene endlich so etwas, was man Berge nennen konnte.

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Am Abend konnte ich hinter einer Cafeteria mein Zelt aufstellen.

Es wurde immer heißer und kühlte auch in der Nacht nicht mehr ab. Im Zelt konnte ich kaum mehr schlafen. Ständig goss ich Wasser über mich, das sofort verdunstete.

Morgens stand ich schon im Dunkeln auf, damit ich sobald es hell wurde, losfahren konnte.

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Vor 9 Uhr waren wieder die besten Stunden zum Radfahren.

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In Karthoum muss man ein Touristenformular ausfüllen, abstempeln und Kopien machen. Da wird unter anderem auch gefragt, was man fotografieren möchte. Hier sollte man nur die schönen Dinge angeben: Natur und Denkmäler – nicht Dreck und Armut. Vor Karthoum hatte ich das Papier noch nicht.

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Je länger ich im Sudan war, desto mehr fragte ich mich, warum die Radfahrer so froh sind, hier zu sein, abgesehen von den Kindern. Landschaftlich ist Äthiopien viel schöner. Es ist nicht so heiß und größten Teils nicht so dreckig. Hier stinkt es auf langen Strecken erheblich. Der Straßenrand liegt voll von Müll, teilweise wird er verbrannt. Tote Tiere verwesen und die Autoabgase bringen auch noch ihren Beitrag. Bei der Hitze ist es natürlich noch viel schlimmer.

Außerdem sind die Straßen in Äthiopien weitaus besser.

Und mit den arabischen Moslems hatte ich teilweise ein Problem, wenn sie außer im Fernsehen keine Frau sehen, die nicht komplett bedeckt ist. Vor allem darf keine Strähne des Haares hervorschauen.

Früher habe ich mich den Sitten des Landes angepasst. Heute denke ich, sie sollten lernen, dass eine Frau, die sich nicht komplett bedeckt, nicht leicht zu haben ist, oder schlechter ist. Fast immer wurde es akzeptiert und respektiert. Aber halt nur fast. Es gibt immer noch Männer, die meinen, weiße Frauen, vor allem, wenn sie alleine reisen, sind Freiwild. Es wurde nie gefährlich, es ist nur so unheimlich lästig und macht mich wütend.

Bier in Sudan?

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Ja, aber alkoholfreies! Alkohol ist strengstens verboten. Aber ich möchte nicht wissen, was sie immer unter die Oberlippe schieben. Als ob ich es nicht merken würde, wurden Plastiktütchen gegen den gewissen Betrag getauscht.

Dann gab es endlich wenigstens einen Ruhetag in Khartoum. Im German Guesthouse wurde fantastisch für mich gesorgt.

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Selten war ich an einem Ort mit solch interessanten Leuten. Alle waren geschäftlich hier, teilweise schon sehr lange oder immer wieder. So bekam ich aus erster Hand einiges über das Land mit.

Kaum vorstellbar, früher gab es in Karthoum eine der besten Universtäten. Frauen durften sogar Miniröcke tragen. Heute werden sie teilweise verhaftet, wenn sie Hosen tragen. Außer Touristinnen.

Bin Laden hatte hier ein Baugeschäft und war mit al-Baschir befreundet.

Und jetzt? Kaum einer spricht mehr Englisch, Frauen sind selten auf der Straße anzutreffen.

Es war so heiß, dass ich den schattigen Innenhof vom German Guesthouse nur kurz zum Einkaufen verließ.

Zum Abschied hat ein Bewohner des Hauses, gekocht. Spätzle mit Sauerbraten! Wann hatte ich das das letzte Mal. Vielen Dank.

Mein Visum hätte ich für 1.770 Pfund um einen Monat verlängern lassen können. Ich rechnete aber mit nur circa 10 Tagen mehr. Für jeden Tag, den ich überziehen würde, müsste ich an der Grenze 100 Pfund zahlen, wurde mir gesagt. Damit würde ich wesentlich günstiger wegkommen. Also ließ ich es darauf ankommen und fuhr weiter.

Jetzt war ich wirklich in der Wüste.

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Erstaunlicherweise war es aber bei Weitem nicht mehr so heiß. Dafür hat der Gegenwind, den ich schon lange erwartete, eingesetzt. Je kühler es wurde, desto stärker der Wind. Oder je stärker der Wind, desto kühler, wer weiß.

Es war nicht gerade spaßig. Ich musste eine Entscheidung treffen. Wollte ich wirklich für jeden Tag, den ich hier gegen den Wind anstrample – und es werden mehr Tage sein, als ich annahm – an der Grenze nochmals 100 Pfund zahlen? Oder sollte ich lieber das Geld in Transport investieren.

Dazu kam noch mein Geburtstag, den ich nicht gerade irgendwo in dieser unwirtlichen Gegend verbringen wollte, sondern eher schon in Wadi Halfa. Zufälligerweise fuhr auch das Schiff von Wadi Halfa nach Assuan an meinem Geburtstag. Das wäre doch ein schönes Geburtstagsgeschenk. Einen Tag später wird mein Visum ablaufen.

Da musste ich nicht weiter nachdenken. Ich setzte mir zum Ziel, einen Tag vor meinem Geburtstag in Wadi Halfa zu sein, dass ich noch ein Ticket für die Fähre und alles organisieren konnte.

Um die Mittagszeit kam ich in ein „Dorf“, d.h. eine Ansammlung von Cafeterias und einer Polizeikontrolle. Ich fragte den Polizisten, ob hier ein Bus nach Karima kommt. Ja, meinte er, ich sollte so lange Tee trinken und Mittagessen, er gibt mir dann Bescheid.

Es hat dann etwas länger gedauert. Und es war dann kein Bus, sondern einer der bemalten, alten Lastwagen. Der Fahrer war ein Moslem mit langem weißen Tschador. Ich hatte zuerst Bedenken, dachte aber, wenn der Polizist es organisiert, wird es schon in Ordnung sein. Ich hielt mich aber während der Fahrt sehr zurück. Eine Konversation wäre wegen der Sprachbarriere sowieso nicht möglich gewesen.

Sie ließen mich an der Abzweigung nach Karima an einer Tankstelle und Cafeteria raus. Als ich etwas Geld geben wollte, lehnten sie grundweg ab, sie machten sogar einen leicht beleidigten Eindruck.

Ich bekam gleich dort einen fantastischen Platz unter einem Dach, abseits der Straße, zum Zelten.

Am nächsten Tag startete ich wieder früh mit dem Fahrrad. Der Wind war noch erträglich. Es sollten nur noch 60 km nach Karima sein, dachte ich. War aber wesentlich weiter. Ich stieg einfach für ein paar Kilometer wieder in einen Minibus. Dann ging es wieder auf das Rad. Ich fand Gefallen an diesem „Hitch-Biken“. Fahrrad und Transport fand ich hier gut. Alles mit dem Fahrrad hätte zu lange gedauert und länger als zwei Stunden möchte ich in keinem Fahrzeug sitzen.

Am frühen Nachmittag war ich bei den Pyramiden von Karima. Ich habe mir extra viel Zeit genommen. Vielleicht habe ich das meiste übersehen, aber was ich da gesehen habe, hatte ich schnell gesehen.

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Ich fand nur diese fünf Pyramiden, die schön am Abgrund in das Niltal standen.

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Weiter gab es für mich nichts zu entdecken. Es war Freitag, Feiertag bei den Moslems. Alles war geschlossen. Ich hatte auch nicht das Bedürfnis noch in die Stadt zu fahren. Mit Mühe fand ich noch so etwas wie Brot.

Sehr früh war ich schon an der Polizeikontrolle Richtung Dongola. Ab hier war für 170 Kilometer nichts, rein gar nichts, nur Sand. Das wollte ich nicht mit dem Fahrrad fahren, vor allem nicht bei dem Wind.

Ich war kaum dort, kam schon ein Minibus. Er hätte mich mitnehmen können. Aber bevor ich überhaupt eingestiegen war, schrie schon jemand „money money money, give money“, gar nicht nett. Ich hatte bald genug, ließ ihn ohne mich weiterfahren.

Wie so oft habe ich auch hier festgestellt, entweder sind die Leute sehr großzügig oder sehr gierig. Einen Tee bekommt man bezahlt, beim anderen muss man den doppelten Preis zahlen.

Der Minibus war allerdings auch der letzte, der mich heute hätte mitnehmen können. Als es dunkel wurde, stellte ich mein Zelt hinter der Polizeikontrolle auf.

Am nächsten Morgen wurde meine Geduld wieder sehr auf die Probe gestellt. Es dauerte Stunden, bis ein Minibus kam, der mich mitnehmen konnte. Die Polizisten waren aber sehr nett, telefonierten mit den Minibusfahrern im Ort, dass sie nicht ganz voll losfahren sollen, da hier noch jemand einsteigen wollte.

Die Zeit nutzte ich, um mir von den Polizisten wenigstens die arabischen Zahlen und die wichtigsten Ausdrücke beibringen zu lassen.

Endlich ein Minibus, wo mein Fahrrad und ich noch Platz hatten.

Auf den nächsten 170 Kilometern kam wirklich nichts, nicht einmal die sonst üblichen Karaffen mit Wasser. Nur Kilometersteine, Telefonmasten und viel, viel Sand.

Die Straße war total neu und es war kein Verkehr. Der Minibus muss mit fast genau 100 Kilometern pro Stunde durchgedüst sein, denn eine Stunde und 45 Minuten später waren wir an der Einmündung in die andere Straße.

Glücklich verließ ich hier den Minibus, bestieg mein Fahrrad und fuhr gleich weiter Richtung Wadi Halfa.

Es war viel wärmer und windstiller. Das änderte sich am nächsten Tag aber auch wieder, sodass ich auch dort wieder einen Bus in Anspruch nahm.

So schaffte ich es tatsächlich bis Montag nach Wadi Halfa. Wahrscheinlich wegen den Sprachschwierigkeiten war es sehr schwierig etwas über das Schiff nach Assuan herauszufinden. Die einen sagten, es führe jeden Tag morgens um 7 Uhr. Da ich aber wusste, es fährt nur einmal pro Woche, forschte ich weiter nach. Tatsächlich, es fährt dienstags. Die Uhrzeit war aber noch nicht klar. Bis ich mein Ticket kaufte. Aber ob es tatsächlich erst nachmittags um 17 Uhr fährt, wagte ich zu bezweifeln.

Auf jeden Fall hatte ich an meinem Geburtstag noch genug Zeit, mir in Wadi Halfa einen schönen Tag zu machen. Hier hatte es auf einmal wieder alles, Obst und verschiedene Dinge zu essen, nicht nur das Fuhl, Bohnenbrei, den man sonst immer nur bekommt.

Ich war natürlich die Attraktion.

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Außer mir waren keine Reisenden unterwegs. Ich mag es eigentlich nicht, wenn ich fotografiert werde, ohne gefragt zu werden. Das gibt mir dann aber auch die Gelegenheit, zurückzufotografieren.

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Diesem Mann schien es zu gefallen.

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Ich hatte dann wirklich noch den ganzen Tag an Land. Erst um 18 Uhr durften wir auf das Schiff.

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Hier hatte ich eine Zweier-Kabine ganz für mich alleine

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und gönnte mir noch ein Geburtstagsküchlein, bis ich sanft in Schlaf geschaukelt wurde.

Als ich aufwachte waren wir schon auf ägyptischem Gebiet, darum mehr darüber später.

 

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