Nigeria
zwischen Boko Haram und den Anschlägen im Niger Delta
Vor kaum einem anderen Land wurde ich so gewarnt wie vor Nigeria. Die Medien bringen nur negative Nachrichten. Es sind kaum Visas zu haben. Von anderen Reisenden wußte ich, man kann trotzdem noch lebendig durchkommen. Da ich nicht fliegen wollte, nahm auch ich Nigeria in Angriff.
Gleich bei der Einreise wurde ich mit Unannehmlichkeiten konfrontiert. Ein sehr beleibter Beamter meinte, er reduziert mein Drei-Monatsvisum auf sieben Tage. Nach einiger Überzeugungsarbeit, dass ich doch nicht in sieben Tage durch sein schönes, großes Land fahren kann, bekam ich 28 Tage. Und musste dafür auch noch dankbar sein. In Nigeria musste ich gegenüber der Obrigkeit mehr Respekt zeigen. Wenigstens am Anfang versuchte ich es noch.
Während der ersten zwanzig Kilometer kamen ungefähr zehn Kontrollen – die normale Polizei, die Grenzkontrollen, die Schmugglerkontrolle….. alle eine andere Abteilung. Jede brauchte ungefähr 30 Minuten um alle meine Daten zu notieren. Als ob man die Prozesse nicht auch vereinfachen könnte.
Eine Kontrolle durchsuchte mein Gepäck. Der Kontrolleur schien ein Spielchen mit mir zu treiben, wollte mein Opinel, Taschenmesser, wegnehmen. Ich könnte es ja als Waffe benutzen. In einem Land, in dem fast jeder mit einer Machete herum läuft, wäre ich massakriert, bevor ich mein Minimesser heraus hätte. Ich bekam mein Opinel daher wieder zurück.
Zwischen den Kontrollen war ein stetiges auf und ab.
Einmal konnte ich nicht einmal mehr hoch fahren. Gar nicht erfreut war ich dann, als ein Mann anhielt und Fotos von mir machte. Wie sich dann herausstellte, war er auch einer von der Grenzkontrolle. Da er in zivil war, konnte ich es nicht erkennen. Er machte Fotos, um zu überprüfen, dass ich auch an jeder Kontrolle kontrolliert wurde. Oh je, das konnte ja spaßig werden.
Später waren die Kontrollen nur noch ungefähr einmal pro Tag. Zwischendrin konnte ich die Fahrt auf den erstaunlich guten Straßen genießen.
Nigeria ist im Grunde ein sehr reiches Land. Leider kommt kaum etwas von dem Geld aus den Bodenschätzen bei der Bevölkerung an. Sogar die Tankstellen haben kaum Überlebenschancen
Erschreckend das alles zu sehen. Das Land ist in einem elenden Zustand.
Vor Abeokuta wurde die Straße sehr schlecht, mit riesigen, mit Wasser gefüllten Schlaglöchern. Der Verkehr staute sich Kilometer weit. Mir war überhaupt nicht nach zelten. Dank der Hilfe von Polizisten fand ich ein Hotel, das vergleichsweise teuer war. Es waren trotzdem ein paar Nigerianer da.
Als ich am nächsten Morgen, sonntags, die Stadt wieder verlassen habe, stauten sich die Autos kilometerlang stadteinwärts. Alle strebten in eine der riesigen Kirchen. Meine erste Begegnung mit der Bigotterie der Nigerianer.
Entlang der Straße häufte sich das Elend.
und der Müll.
Das Jogurt-Eis, das es überall für ein paar Cents zu kaufen gab, hat mich am Laufen gehalten.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich damit einen Lebensunterhalt verdienen kann.
Die stillgelegenen Tankstellen boten auch eine gute Möglichkeit für eine Pause.
Überhaupt wenn davor eine Polizeikontrolle ist. Manche Polizisten sind sehr nett.
Ich war gerade fertig mit meinem Picknick, da raste ein weißer Mercedes-Sportwagen herein. Der hintere Spoiler streifte am Boden. Gefolgt wurde er von einem anderen Fahrzeug, das aussah wie Polizisten in Zivil. Aus jedem Auto sprangen zwei Männer raus und schreiten sich unheimlich an. Es entstand ein richtiger Kampf. Da kann es einem ganz anders werden. Ich packte meine Sachen und fuhr lieber weiter.
Mein GPS leitete mich quer durch die Innenstadt von Ibadan. Obwohl es Sonntagnachmittag war, war ein ziemliches Gedränge in den Straßen. Überall war Markt. Ich war sehr froh, als ich das hinter mir hatte.
Von einer Erhöhung aus hatte ich einen guten Überblick über die weit ausschweifende Stadt.
Ein junger Mann meinte, ich solle hier lieber gleich weiter fahren, das sei hier keine sichere Gegend. Das tat ich doch zu gerne.
Die vielen Polizeikontrollen haben auch etwas Gutes. Die Polizisten wissen immer eine gute Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe. So hatte ich auch außerhalb von Ibadan eine sichere Bleibe.
Wenn es nicht verbaut und zugemüllt ist, ist Nigeria ein sehr schönes Land,
viel Grün, Berge, Felsen und manchmal Wasserfälle.
Dann aber wieder Bauruinen
Viele Gebäude, die nie fertiggestellt wurden.
Der Verkehr mit den vielen Lastwagen ist erschreckend. Viele bleiben auf der Strecke. Sie sind einfach zu überladen.
Von vorne sieht das Gefährt nicht besser aus.
So werden sie mir wenigstens nicht zu gefährlich. Normalerweise überholen sie in einem sehr geringen Abstand. Bei den vielen Polizeikontrollen, wo sie meinten, es sei ja nur für meine Sicherheit, erwiderte ich nur, es wäre mehr für meine Sicherheit getan, wenn sie die Lastwagen und Geschwindigkeit kontrollieren würden. Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass es eine Führerscheinpflicht gibt.
Es ist wirklich nicht immer und überall gesund Fahrrad zu fahren.
Fast noch schrecklicher als die Lastwagen waren die kleinen Moped-Dreiräder.
Die Mopedfahrer hatten kein Gefühl dafür, dass der Zusatz hinten viel breiter ist. Manche streiften mich beinahe.
Richtig spaßig wurde es in der Stadt,
wo zusätzlich noch Fußgänger sich durch den Stau schlängelten. Da war dann für mich überhaupt kein Durchkommen.
Um schnell durch Nigeria durchzukommen, habe ich mir den nächsten Weg gewählt und wollte ungeteerte Straßen vermeiden. Im Süden war das nicht mehr möglich.
Selbst mitten in Aba, bestand die Straße nur aus Schlamm, Sand und Wasser. Auch die LKWs blieben darin stecken.
Als ich Richtung Ikot Ekpene weiter wollte, meinten die Leute, ich käme dort nicht durch.
Aber das ist doch eine Hauptstraße ? Ja….
Ein bisschen ausfällig wurde ich, als ein Mann meinte, das sei Gottes Wille! Worauf ich erwiderte, „nein, das ist eure Regierung!“ Kein Wunder, sie vergeben keine Visa mehr an Touristen.
Es gibt unglaublich viele verschiedene Kirchen in Nigeria. Entlang der Straßen ist ein richtiger Schilderwald, der zu den verschiedenen Gotteshäuser hinweist. Wahrscheinlich darf jeder, der möchte, seine eigene Kirche aufmachen. Und wird dabei vom Staat unterstützt.
Es ist nicht nur sonntags Gottesdienst für eine Stunde. Nein, mindestens drei- bis viermal in der Woche treffen sie sich für zwei bis drei Stunden in der Kirche. Für mich hört es sich wie Gehirnwäsche an. Selbst wenn man nur mit dem Fahrrad daran vorbei fährt, bekommt man immer die Geschreie mit, „Das ist Gottes Wille, das ist Gottes Wille…“ wird hundert Mal wiederholt, dann „Er wird Dir den Weg zeigen, er wird Dir den Weg zeigen ….“ Dafür muss man dann auch Ablass-Zahlungen tätigen. Es wird groß bekannt gegeben, wer wieviel zahlt. Da lassen sie sich nicht lumpen. Kein Wunder, es herrscht noch so eine Ruhe im Land und keiner wehrt sich.
Weit würden sie bei dem Polizeiaufgebot auch nicht kommen
Weil die Bevölkerung sehr arm ist, isst es alles, was es zu fangen gibt.
Entlang der Straße wird überall „Bush-meat“ angeboten, tote Tiere, die im Busch gefangen wurden.
Auf Reisen bin ich weitgehend besser Vegetarierin.
Richtung dem Cross Fluss wurde die Straße etwas besser.
Immer noch mit vielen Schlaglöchern. Manchmal wundert mich, dass bei all den Ausweichmanövern nicht viel mehr passiert.
Kurz vor der Brücke fand ich eine kleine Übernachtungsmöglichkeit.
Allerdings hatte ich keine große Lust zu duschen oder das Wasser zum Kochen zu benutzen. Ich musste davon ausgehen, dass es direkt vom Fluss kommt
Dann kam ich endlich nach Calabar.
Es soll die grünste und sauberste Stadt Nigerias sein. Um das Nationalmuseum stimmt das auch. Im Rest der Stadt herrscht das gleiche Chaos wie überall.
Ich bin gleich auf die Botschaft von Kamerun, bekam auch sofort mein Visum. Dann weiter zum Hafen. Ich wollte mit der nächsten Fähre raus aus Nigeria, nach Kamerun.
Sofort kaufte ich ein Ticket für den nächsten Tag. Da es früh morgen los gehen sollte, übernachtete ich auch auf der Fähre
Natürlich hat es dann doch etwas länger gedauert, bis alles beladen war und wir endlich weg kamen.
Als ich das Ticket kaufte, machte ich Bekanntschaft mit einem der Inhaber der Fährgesellschaft. Er war so begeistert von meiner Reise, dass er meinte, ich müsse für mein Fahrrad nichts extra bezahlen. Zur Sicherheit sagte er es auch den umstehenden Männer, die die Fähre beluden, dass sie nichts extra von mir verlangen dürften.
Aber wir sind halt in Afrika, natürlich verlangten sie später von mir sogar mehr, als mein Ticket gekostet hat. Mittlerweile weiß ich, hier kann man einiges aussitzen. Ich weigerte mich zu zahlen. Über Nacht blieb somit mein Rad, bewacht und abgeschlossen, an Land.
Am nächsten Morgen bat ich die Frau, die mir das Ticket verkaufte, sie solle das bitte jetzt regeln. Und sofort kam mein Fahrrad ohne Extrakosten auf das Schiff.
Auch typisch für Afrika: Fragt man drei Zuständige nach Abfahrtszeiten, bekommt man vier verschiedene Antworten. Die Spanne reichte von 6 Uhr bis 10 Uhr morgens. Um circa 11 Uhr ging es los.
Auf dem Schiff traf ich den ersten Weißen in ganz Nigeria, einen jungen US Amerikaner. Als wir durch das Nigerdelta fuhren, meinte er, ob ich denke, dass wir auch überfallen werden. „Es ist jetzt zu spät, sich darüber Gedanken zu machen.“
Die vorherige Fährgesellschaft ging Bankrott, da zu viele Überfälle passierten. Von einem Überfall in letzter Zeit habe ich nichts gehört. Allerdings war es schon ein komisches Gefühl zwischen den Ölplattformen rumzufahren, die in letzter Zeit Ziel von Anschlägen waren.
Nigeria war das einzige Land, in dem ich kein einziges Mal gezeltet habe. Es gab zum Glück immer wieder Guesthouses, in denen ich mich sehr sicher fühlte. Auch sonst tagsüber hatte ich, außer dem Verkehr, keine Angst.
Nigeria ist mit Sicherheit eines der einzigen Ländern, die ich nicht als Reiseziel weiterempfehle.
Also hat sich in Nigeria in den letzten 30 Jahren nichts geändert 🙂
Ich bin 1990 mit einer kleinen Gruppe mit einem LKW von Niger durch Nigeria nach Kamerun gefahren.
Da war es auch schon so mit den Straßensperren alle paar Kilometer.
Wir hatten damals jedoch alle größeren Städte gemieden, weil auch damals schon die Einheimischen meinten, dass es selbst für Nigerianer zu gefährlich sein.
Ja, ich kann mir vorstellen, dass das auch sehr abenteuerlich war. Obwohl es noch kein Boko Haram gab und es im Niger-Delta relativ ruhig war.