Auf dem Weg nach Irland Teil 2: Frankreich

🚴‍♀️ Auf meinem Weg nach Irland

Teil 2: Frankreich

Endlich in Frankreich

Endlich Frankreich! Nachdem ich in Belgien immer unsicher war, welche Sprache ich sprechen sollte, war es nun klar: Französisch.

Ansonsten hat sich zunächst nicht viel geändert. Es ging noch ein Stück am grünen Kanal entlang, bis ich die Vorstädte von Lille, meiner ersten größeren Stadt auf diesem Abschnitt, erreichte.

Die Radwege führen hier oft an den Zentren der Städte vorbei. Da ich aber noch nie in Lille war, eine neue Gaskartusche besorgen und Geld abheben musste, bin ich direkt in die Stadt gefahren.

Der Abstecher hat sich gelohnt, auch wenn viel los war. In der Ferienzeit sind auch an normalen Werktagen viele Menschen unterwegs. Lille liegt sehr zentral zwischen Brüssel und Paris und ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, was es schon seit dem 16. Jahrhundert zu einer bedeutenden Handelsstadt macht. Es gibt unzählige historische Gebäude, Museen und Kirchen. Man könnte hier gut einige Zeit verbringen, aber ich hatte ja ein Ziel. Meine Kartusche und mein Geld hatte ich jedenfalls bekommen.

➡️ Kurswechsel: Richtung Westen und Boulogne-sur-Mer

Kurz nach Lille habe ich den EuroVelo 5 verlassen. Ich wollte nicht weiter in den Norden, sondern eher in den Westen, Richtung Boulogne-sur-Mer. Das bedeutete jedoch nicht, dass der Radweg endete. Wie gewohnt fuhr ich vorerst entlang von Kanälen.

Erstaunlich war, dass ich später plötzlich keinen Radweg mehr hatte, sondern auf Landstraßen unterwegs war. Diese waren hier so leer, dass ein separater Radweg meiner Meinung nach unnötig ist. Es gab nicht einmal ein Radweg-Schild, wie man es sonst überall findet. Auch in den Dörfern war absolut nichts los – es gab keine Läden. Das heißt aber nicht, dass man hungern muss. Nein, hier kann man fertige Pizzen oder Sandwiches aus Automaten ziehen. Das erinnerte mich doch sehr an Japan, nur dass das Angebot dort vielseitiger war.

Fragt mich nicht, wie das schmeckt. Ich kann gar nicht so hungrig sein, dass ich mir das antue.

Weg von den Kanälen hieß dann auch: endlich wieder Hügel!

Anscheinend war ich auf der Strecke der diesjährigen Tour de France unterwegs. Immer wieder hingen die Trikoloren draußen. In Aire-sur-la-Lys war die ganze Altstadt festlich geschmückt. Wahrscheinlich haben die Profis davon kaum etwas mitbekommen, wenn sie nur durchgerauscht sind.

Es war wirklich erstaunlich: Ich wusste, dass das Meer nur noch ein paar Kilometer entfernt war, aber ich befand mich immer noch auf über 100 Metern Höhe. (Ich verliere leicht die Gelassenheit, wenn ich eigentlich zum Meer möchte, aber immer noch bergauf fahren soll!) Was ich nicht wusste: Die Küste hier ist eine Steilküste. Auf wenigen Kilometern ging es dann steil hinunter nach Boulogne-sur-Mer.

🌊 Die Opalküste und Touristenmassen

Wieder einmal eine Großstadt. Der größte Fischereihafen Frankreichs hat auch eine imposante Altstadt. Schon unter Caligula (1. Jh. n. Chr.) war die Stadt strategisch sehr wichtig für die Eroberung Großbritanniens.

Heute ist die Stadt an der Opalküste sehr touristisch. Es dauerte allerdings lange, bis ich endlich das Meer sah. Hier war ich nun auf dem EuroVelo 4 und hatte wieder mehr Radfahrende um mich herum. Eins sage ich euch gleich: August ist kein idealer Reisemonat. Alles war voll und die Campingplätze teuer. Ja, ich weiß, das hätte ich auch schon vorher wissen können, aber ich habe es irgendwie verdrängt.

Das Gute, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist: Es findet sich immer noch irgendwo ein Plätzchen. Diesmal auf dem Campingplatz in Berck, wo schon zwei niederländische Radlerinnen waren. Das ist oft ein großes Plus an Campingplätzen: Man hat Unterhaltung und kann sich austauschen.

Hier hatte ich auch tatsächlich einen Zugang zum Meer, beziehungsweise zum Ärmelkanal. Nur war gerade kein Wasser da, nichts zum Schwimmen – nur ein paar Seehunde lagen herum.

Nach Berck kam zuerst ein schöner Nationalpark mit wunderbarem Radweg, der am Sonntag sehr frequentiert war.

Danach ging es, wie es sich für eine Steilküste gehört, immer hundert Meter hoch, dann wieder runter. Dazwischen gab es prima Aussichten.

Dieppe war mal wieder ein Schock. Die historische Altstadt war für Autos gesperrt, aber drumherum herrschte absolutes Chaos.

Manche Autos parkten noch kilometerweit außerhalb. Mit dem Fahrrad kam ich noch einigermaßen gut durch, alles geschwind angeschaut und weiter.

🥵 Hitze und Zwangspause

Mitte August wurde es extrem heiß. Mein Fahrradcomputer zeigte über 40 Grad an. Alles war trocken, die Erde staubte. Den einzigen kühlen Ort fand ich in einer kleinen Kirche.

Auf einem kleinen Radweg, wo ich wieder einen Platz zum Wildzelten fand, ging es Richtung Fécamp und weiter südlich nach Étretat.

Die steilen Klippen, die Altstadt und der Strand sind wieder starke Touristenmagneten.

Auch hier hieß es: schnell weiter, nachdem ich es gesehen hatte. Selbst mit dem Fahrrad kam ich hier kaum durch die Menschenmengen.

Le Havre habe ich großräumig umfahren. Zugbrücken, wie sie hier noch häufiger vorkommen, finde ich immer sehr spannend.

🌉 Die Pont de Normandie

Bevor ich auf die Pont de Normandie kam, hatte ich Schreckliches über sie gelesen. Die Brücke ist über zwei Kilometer lang und führt über die Seine in der Nähe von Le Havre. Von Weitem sieht sie sehr imposant aus, und auch die Autobahn führt darüber.

Nachdem ich schon über die Pont de Saint-Nazaire über die Loire gefahren war, machte ich mich auf einiges gefasst.

Ich war sehr erstaunt: Hier gab es wenigstens einen Fahrradstreifen! Auf dem Fußgängerweg habe ich mein Fahrrad langsam hochgeschoben und konnte die Aussicht von oben genießen. Auf der anderen Seite ging es dann, geschützt vom Autoverkehr, wieder runter. Die Fahrt über die Brücke ist wegen des Verkehrslärms unangenehm, aber Du kannst es auf jeden Fall wagen. (Im Gegensatz zur Brücke über die Loire, wo es keinen Fahrradweg gibt – das ist äußerst unangenehm.)

Nach der Brücke landete ich in Honfleur, einem malerischen kleinen Hafen, der zum Zentrum der Bildenden Künste wurde.

Auch dieser Ort ist ein Anziehungspunkt für Touristen, vor allem weil weiter westlich schöne Strände liegen.

⚓ Schauplätze des Zweiten Weltkriegs

Auch sonst ist die Küste sehr gewöhnungsbedürftig: viele Casinos, Rummelplätze, teure Campingplätze. Und dann natürlich die Schauplätze des Zweiten Weltkrieges.

Utah-, Omaha-, Gold-, Juno- und Sword-Beach reihen sich hier aneinander. Hier landeten die Alliierten, um Frankreich von den Nazis zu befreien.

Danach ging es wesentlich ruhiger auf kleinen Landstraßen weiter. Wieder einmal war eine Straße gesperrt. Eine Frau sagte mir, mit dem Fahrrad käme ich gut über die für Autos gesperrte Brücke. Die Brücke war kein Problem. Danach kam noch eine sehr schmale Schwenkbrücke an einer Schleuse. Es war ein netter Ort mit Picknickplatz, die Brücke war gerade offen. Ich wusste nicht, ob ich da mit meinem bepackten Fahrrad drüber kommen würde. Radfahrer, die gerade Pause machten, versicherten mir, das ginge schon. Tatsächlich: Der schmale Steg hatte zum Glück ein Geländer und war gerade breit genug für mein Fahrrad. Auf der anderen Seite machte ich erst einmal Pause, es war sehr warm.

Später war der Strand kein Sandstrand, sondern eher Schilf. Das ist für Touristen nicht so attraktiv, weswegen es auch sehr ruhig war.

🔔 Letzte Etappe und Fährfahrt

Es war Donnerstag, der 14. August. Für Freitagabend hatte ich eine Fähre von Cherbourg nach Irland gebucht. Heute wollte ich noch so weit wie möglich kommen.

Auf einem Hügel fand ich eine Kirche mit viel Wald drumherum – sonst nichts. Ein prima Ort zum Zelten, dachte ich. Leider war mir nicht bewusst, dass der nächste Tag ein Feiertag war (Mariä Himmelfahrt) und am Abend ein Gottesdienst in der Kirche stattfand.

Mit der Ruhe war bald Schluss. Ich wusste nicht, woher die Kirchgänger alle kamen. Der Parkplatz am Wald war ruckzuck zugeparkt. Ich hatte keine Lust, mir einen anderen Platz zu suchen. Um 20 Uhr sollte der Gottesdienst starten, dann würde er wohl um 21 Uhr vorbei sein. Weit gefehlt! Erst um 23 Uhr leerte sich der Parkplatz langsam. Nur ein paar Kinder entdeckten mein Versteck von oben, von der Kirche.

Am nächsten Tag wurde ich schon um 7 Uhr von Kirchenglocken geweckt. Das hatte ich nun davon, dass ich in der Nähe der Kirche zeltete.

In meinem Versteck wollte ich nicht frühstücken, lieber gleich los und einen netten Picknickplatz finden. Dabei hatte ich Glück: Nicht weit entfernt gab es Tische und Bänke an einem Teich.

Bevor ich auf die Fähre nach Irland ging, wollte ich noch Gaskartuschen für meinen Kocher kaufen. Also schlug ich irgendwann den Weg direkt zum Decathlon in Cherbourg ein. Eine hügeligere Strecke hätte ich mir nicht aussuchen können. Ständig nur bergauf und bergab. Na, hoffentlich hat der Decathlon dann auch offen! Irgendwann kam mir die Idee, ich könnte ja im Internet nachschauen, ob der Laden am Feiertag geöffnet hat. Pech gehabt – geschlossen! Vielleicht sollte ich langsam etwas gründlicher planen und früher nachschauen 😉. Ich suchte die kürzeste Verbindung zum EuroVelo 4, in der Hoffnung, dass er etwas flacher war.

Vor Cherbourg kam eine Feriensiedlung, wo zum Glück noch ein Supermarkt offen hatte, damit ich mich für die lange Überfahrt eindecken konnte.

Dank eines Radlers habe ich schließlich das Terminal gefunden. Um ca. 13 Uhr war ich dort – genug Zeit, meine Sachen auszusortieren, die ich im Schiff mit hochnehmen wollte. Vor allem Waschzeug, Isomatte, Schlafsack, neben Wasserflasche und Essen. Ich hatte ja keine Kabine gebucht.

Die Zeit verging sehr schnell, und schon konnte ich mit meinem Fahrrad zwischen all den Motorradfahrern an Bord. Um 21 Uhr konnte ich mich draußen auf einer Bank mit Isomatte und Schlafsack hinlegen und habe prima geschlafen.

In Frankreich war ich neun Tage unterwegs und bin 738 Kilometer gefahren

Wie es in Irland weiterging, erfahrt ihr demnächst. Bleibt dran!


💡 Gut zu wissen:

  • August ist absolut die ungeeignetste Zeit für eine Tour entlang der Küste in der Normandie.
  • Ein Campingplatz kann gut 30 Euro pro Nacht für dich, dein Fahrrad und ein kleines Zelt kosten. Wenn du (unwissend) meinst, 20 Euro wären viel, wirst du des Platzes verwiesen.
  • Wie in Luxemburg und Belgien ist Wildzelten nicht erlaubt. Wenn du zufällig entdeckt wirst, sagt niemand etwas.
  • Wie im vorigen Post gilt: keine Spuren hinterlassen.
  • Besser nicht neben einer Kirche zelten, vor allem nicht vor Feiertagen!
  • Die Brombeeren in Frankreich sind die besten!

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