Rund um Taiwan
Nach Japan und Südkorea nun die nächste Insel: Taiwan. Ein neues Land, neues Abenteuer, neue Erfahrungen…

Mein Plan ist, um die Insel herumzufahren: die Westküste hinunter in den Süden und die Ostküste wieder zurück.
Start in Taipeh und die sanfte Westküste

Die Reise begann in Taipeh, wo ich sonntags durch eine große Parkanlage entlang eines Flusses aus der Stadt radelte. Es war ein faszinierendes Schauspiel: Neben Radfahrenden und Joggern traf ich auf Gruppen mit Drachen und Modellflugzeugen. Besonders herzlich war der Anblick der Papageienbesitzer, die ihre Vögel an Feiertagen gemeinsam fliegen lassen.

Die nationale Fahrradroute Nr. 1, die um ganz Taiwan führt, verläuft oft entlang stark befahrener Straßen. Die einzelnen Bezirke haben jedoch entlang des Meeres wunderschöne Fahrradwege angelegt. Weil ich wegen der Kälte in Seoul zwei Wochen früher in Taiwan ankam, hatte ich viel Zeit und konnte diese ruhigen Abschnitte entlang der Küste und durch Feuchtgebiete richtig genießen – inklusive wunderschöner Picknickplätze.

Auch prima Plätze zum Wildzelten gibt es reichlich. Die Leute haben mich entweder ignoriert oder waren begeistert davon, dass ich mit dem Fahrrad um Taiwan fahre – allein, in meinem Alter und dann auch noch zeltend. Sie überhäuften mich mit allerlei Essbarem, was nicht immer ganz einfach ist. Zum Beispiel mit Schokolade, die bei den hiesigen Temperaturen schmilzt, oder mit zwei großen Packungen Instantnudeln, die ich irgendwie noch in meinen Taschen unterbringen muss. Natürlich nehme ich alles dankbar an.
Ein paar Gemeinsamkeiten hat Taiwan mit Japan und Südkorea, zum Beispiel: Das Radfahren ist fantastisch!
Ein kurzer Abstecher zum Sun Moon Lake in die Berge
„Der Sun Moon Lake ist wirklich ein toller See in den Bergen,“ hörte ich immer wieder. Also machte ich mich von Taichung aus auf den Weg. Zuerst ging es durch quirlige Marktstädte mit ihren wunderbaren Gerüchen, dann auf kleine, ruhige Waldstraßen.

Der Anstieg auf 800 Höhenmeter zum See war stetig und somit für mich gut machbar. Nebenher konnte ich die Affen, die von Palme zu Palme sprangen, beobachten. Der erste Blick auf den See, umgeben von hohen Bergen und einem Radweg direkt am Ufer, war traumhaft.


Doch je näher ich den Hotelhochburgen, Souvenirläden und kleinen Supermärkten kam, desto dichter wurde der Verkehr. Der eigentlich schöne Radweg war mit Elektro-Mieträdern verstopft. Die Idylle war dahin. Ich beschloss, den Berg schnell wieder zu verlassen. Die Rückfahrt am nächsten Tag war grandios – der Abstecher hat sich allein dafür gelohnt!


Unterwegs bot sich mir eine wahnsinnige Vielfalt an Früchten: Drachenfrüchte und Guaven, die einzeln zum Schutz in Tüten verpackt werden – eine mühsame Arbeit. Glücklich war ich, mein Zelt wieder an einem Tempel aufzustellen und dank Google Translate ein Gespräch über den Buddhismus zu führen.

Gegenwind und Gastfreundschaft
Ein kurzer Besuch beim Rahmenbauer von Velotraum in Taichung führte mich zurück gen Norden. Leider erwartete mich hier eine der anstrengendsten Etappen: Ein starker, böiger Gegenwind peitschte mir Staub und Sand entgegen. Die schönen Küstenradwege des Nordens fehlten, oft fuhr ich auf vierspurigen Straßen, zum Glück mit breitem Seitenstreifen.
Am Abend fand ich wieder Schutz an einem windgeschützten Tempel. Zuerst war nur der „Wächter“, dann wurde der Vorsteher samt Schwester geholt. Sie entschieden, dass es zu kalt sei, und baten mich, statt im Zelt im Nebenraum des Tempels zu schlafen. Luxus pur, und natürlich gab es nochmals zwei große Packungen Instantnudeln!

Der Gegenwind hielt auch am nächsten Tag noch an. Ein Grund mehr für mich, für das letzte Stück, das ich schon in die andere Richtung gefahren war, den Zug zu nehmen.
Mit dem Fahrrad in den Zug ist in Taiwan sehr einfach und günstig: Am Automaten wählte ich einen „bike-friendly“-Zug und bekam gleich die Fahrradkarte mit. Insgesamt zahlte ich nur 1,55 Euro.

Am nächsten Tag konnte ich bei Yin-Lung zusehen, wie sie für meinen Fahrradhersteller, Velotraum, Rahmen zusammenschweißen. Einige standen schon zum Versand bereit. Lackiert werden sie aber in Deutschland.
Weiter in den Süden
Da ich die Strecke entlang der Küste schon auf- und abgefahren bin, nahm ich den Zug nach Süden, nach Chiayi.
In der Nähe eines kleinen Radwegs fand ich einen noch kleineren Tempel, eigentlich in einer Fabrik zur Nahrungsmittelverarbeitung. Es wurde schon dunkel, aber der Besitzer war noch da. Er war ziemlich erstaunt, mich zu sehen, bat mich aber gleich herein. Sofort erlaubte er mir, im überdachten Hof zu zelten.

Als er weg war, kamen später seine Frau und die Tochter. Sie brachten mir Handwärmer und einiges zu essen. Die Handwärmer brauche ich hoffentlich nicht.
Teezeremonie und Millionenstädte
Am nächsten Morgen war ich mit Packen fast fertig, da kam Frau Jiaqing. Sie füllte meine Radtaschen mit Eiern, Kiwis und Walnüssen. Die Daunenweste konnte ich leicht abwehren, indem ich ihr meine Daunenjacke zeigte.
Da ich es nicht eilig hatte, bereitete sie mir eine taiwanische Teezeremonie. Der Tee war sehr lecker.

Die Radtaschen konnte ich nicht mehr ordnungsgemäß schließen. Zum Glück regnete es nicht.

Der geniale Radweg ging leider nicht mehr viel weiter. Jetzt begannen die Millionenstädte. Taiwan ist ungefähr so groß wie Baden-Württemberg, hat aber doppelt so viele Einwohner. Die meisten leben an der Westküste in den Millionenstädten.

Um Tainan konnte ich noch halbwegs am Meer entlangfahren. In Kaohsiung war ich auf den vierspurigen Straßen von Mopeds umzingelt. Das ist der wichtigste Hafen von Taiwan, wo all das Öl verarbeitet wird.

Ein Hochhaus mächtiger und größer als das andere. Am Yachthafen sieht man, dass es einige Leute hier mit viel Geld gibt.


Das Gute an den vielen Hochhäusern ist: Die Millionen Leute leben auf sehr engem Raum. Ich war schnell durch und fand hinter dem Guaping-Fluss einen ruhigen Platz zum Zelten.

Morgens waren vor allem die älteren Herrschaften vor mir unterwegs. Wenn ich um 5:30 Uhr aus dem Zelt kroch, wurde schon kräftig marschiert und Gymnastik gemacht. Daran könnte man sich ein gutes Beispiel nehmen – mich eingeschlossen.
Nachdem ich die Mega-Cities hinter mir hatte, wurde es richtig idyllisch. Kaum mehr Verkehr, dafür Seen und Flüsse und immer wieder schöne Küstenstreifen.
Hier traf ich Chuck, einen US-amerikanischen Reiseradler. Mit ihm war ich dann auch das erste Mal hier auf einem Campingplatz mit wunderbarem Strand.

Am nächsten Tag fuhr ich bis zur Südspitze Taiwans im Kenting-Nationalpark. Einfach wunderbar: die Landschaft, die Natur, das Meer, einfach alles.
Von Bergen und wilder Brandung
Die eigentliche Schönheit der Insel zeigte sich aber an der Ostküste. Statt Hochhäusern thronen hier hohe Berge über einer wilden Brandung.


Die Morgendämmerung hier, beim Anstieg in einer fantastischen Landschaft, war magisch. Ich radelte durch Dörfer der indigenen Völker, deren Kultur hier viel präsenter ist. Im Laufe der Zeit und durch die verschiedenen Besatzungsmächte wurden sie immer weiter in die Berge zurückgedrängt. Erst mit der Demokratisierung in den 1980er-Jahren bekamen sie die Anerkennung, die sie verdienen.

Auf dem Weg nach Norden entlang der Küste gab es unglaubliche Plantagen mit Zimt- oder Zuckeräpfeln, die, ähnlich wie Guaven, in Tüten eingepackt werden.

Der Hostelbesitzer in Taitung überzeugte mich, die Route zwischen den Bergen anstelle der windigen Küstenstraße zu nehmen. Das hieß aber leider zunächst, acht Kilometer durch die Stadt zu fahren. Das war nicht sehr angenehm bei dem ganzen Verkehr. Nur selten fand ich Radwege abseits der Straße.
Nach all den Kilometern entlang des Meeres war die Strecke zwischen und über die Berge sehr abwechslungsreich. Allerdings konnten die Berge den Wind nicht komplett aufhalten. Es war ganz schön kühl. Zum Glück bekam ich an der Straße eine heiße Nudelsuppe.


Das Beste an diesem Tag war mein Schlafplatz und die Unterhaltung am taoistischen Tempel: Karaoke pur. Es war wunderbar, ihnen zuzuschauen und zu sehen, wie viel Spaß und Freude sie beim Singen hatten. Ich wurde verschont – alles war auf Chinesisch 🫣. Mein Zeltplatz war gut geschützt unter einem Dach.


Frühstück, Abschiedsfoto und weiter – gespannt, was der Tag alles bringen wird.
Richtung Hualien, weiter im Norden, wurde das Wetter sichtbar schlechter und ich immer müder. Ich hatte schon lange keinen Ruhetag mehr.
Mein nächster Schlafplatz war ein buddhistischer Tempel. Diesmal kein Karaoke, dafür Schwarzwälder Kirschtorte und vieles mehr zum Essen. Vielen Dank!

Die Wolken wurden immer dichter. Nur durch ein kleines Loch konnte ich sehen, was mir alles verborgen blieb. Schade.

Nach 18 Tagen ohne Ruhetag habe ich beschlossen, zwei Nächte in Hualien zu bleiben. Vielleicht haben sich bis dahin die Wolken etwas verzogen, und ich kann endlich mal ausschlafen.
Das Erdbebengebiet
Auf dem Weg nach Hualien kam ich dann ins Erdbebengebiet. Im April 2024 hat es hier ein Erdbeben mit 7,2 Magnituden gegeben, das den Taroko-Nationalpark komplett zerstörte. Mir wurde empfohlen, diese Strecke mit dem Zug zu fahren. Das wollte ich aber nicht. Es war mal wieder blauer Himmel und ich war ausgeschlafen.

Meine größte Sorge war, den Aufräumarbeiten im Weg zu stehen. Also fuhr ich los. Ich radelte die vermeintlich „zu gefährliche“ Strecke, die mich über die Berge führte. Es war ein gigantisches Abenteuer! Ich ließ einfach Autos und Lastwagen passieren und genoss dann die Ruhe in den „gefährlichen“ Tunneln. Die Küste mit der Aussicht war traumhaft.

Nach etwa 10 Kilometern waren die größten Baustellen und das Meiste vorbei. Es ist gigantisch, welche Maßnahmen ergriffen werden, um eine Katastrophe dieses Ausmaßes einzuschränken. Neben zahlreichen Messstationen versuchen Arbeiter, die Berge zu befestigen. Als ich die Felsen dort oben sah, fuhr ich lieber schnell weiter.

Ich konzentrierte mich stattdessen auf die traumhafte Küste.

Leider war es am nächsten Tag wieder sehr wolkig, später wieder Regen.

Das Gute war: Es gab kaum noch Verkehr, da die Autofahrer lieber auf die Schnellstraße und durch die Tunnel fuhren.
Am Ende im Regen: Nordostküste
Die letzten Tage waren nass, kalt und windig. Die wunderschöne Nordostküste blieb größtenteils im Nebel verborgen – „bei schönem Wetter kann ja jeder Radfahren,“ dachte ich mir. Der Vorteil: Die Radwege waren herrlich leer.


Trotz des schlechten Wetters blieb die taiwanische Gastfreundschaft unverändert. Als ich an einem Tempel nach einem Zeltplatz fragte, boten sie mir ein trockenes Zimmer an, weil es zu regnen beginnen würde. Welch ein Luxus!
Ein Taiwaner hatte mir verraten, dass ich auch an Grundschulen fragen kann, ob ich zelten darf. Als ich an einem verregneten Nachmittag das Schild „Elementary School“ sah, wollte ich es einmal ausprobieren. Gleich wurde ich hereingebeten und durfte mein Zelt in der Sporthalle aufbauen.

Am Abend gab es noch eine „Vorweihnachtsfeier“ mit Wunderkerzen (es war der Tag vor Heiligabend). Obwohl sie keine Christen sind und Weihnachten hier kein offizieller Feiertag ist, wird trotzdem ein bisschen gefeiert.

Die Schule hat nur 10 Schüler und 10 Lehrer. Ich war völlig erstaunt, der Schulleiter lachte nur. Es werden jetzt ja auch jedes Jahr mehr.
Heiligabend verbrachte ich auf einem großen Parkplatz mit überdachten Bänken. Ein Filmteam machte dort gerade noch Aufnahmen. Das war ein besonderes „Heiligabend“-Erlebnis.

Das Wetter blieb schrecklich, die Küste, das was ich gesehen habe, wunderbar.


Ich hatte genug und verbrachte die letzten Tage noch in einem kleinen, ruhigen Hostel.

Auf der letzten Etappe zurück nach Taipeh schien schließlich wieder die Sonne.

Ein wunderbares Gefühl auf den Radwegen rund um die Hauptstadt. Das Ende war nah: Rad in die Box, Fahrt zum Flughafen und zurück nach Deutschland.


Fazit
Die Reise um Taiwan war gefüllt mit Kontrasten: von lebhaften Millionenstädten bis zu stillen Berglandschaften, von stürmischem Gegenwind zu sonnigen Küstenabschnitten und am Schluss noch Dauerregen, aber vor allem von einer unglaublichen Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen.
Radreisen in Taiwan ist absolut problemlos. Man kann (fast) überall zelten, findet immer was zu essen und sauberes Trinkwasser. Und falls es mal Probleme gibt, findest du sicher jemand, der dir weiterhilft. Viel Spaß dabei.
Was sind deine Erfahrungen?
